- Beiträge
- Bezahlkarte statt Bargeld
Bezahlkarte statt Bargeld
von Thomas Müller • Titelfoto: Thomas Müller„Socialcard“ für Flüchtlinge eingeführt
Das ging ja fix! Am 22. April im Stadtrat beschlossen, schon jetzt als Zahlungsmittel im Verkehr: Die Socialcard für Flüchtlinge. Damit gelingt laut OB Markus Zwick der nächste Schritt zur Integration von Flüchtlingen beim Pirmasenser Weg.
„Wir leisten hier wieder ein Stück weit Pionierarbeit“, sagt der OB stolz. In Pirmasens laufe es eh gut, weil Flüchtlinge vom ersten Tag ihrer Ankunft an die Hand genommen werden. Die Bezahlkarte ist nun ein weiterer Baustein auf diesem Weg. Die erste Karte überreicht der OB an Morad Muhsen. Der Syrer ist seit knapp zwei Monaten in Pirmasens. Was er als erstes kaufen möchte? „Lebensmittel“, sagt der 39-Jährige.
Doch wie funktioniert die Bezahlkarte? Zuerst sieht sie aus wie eine ganz normale EC- oder Kreditkarte in blau. Es gibt sie nicht nur physisch, sondern auch als App fürs Handy. Das Sozialamt lädt jeden Monat 460 Euro auf die Karte. Davon muss der Geflüchtete seinen Lebensunterhalt bestreiten, ein Betrag für die Stromrechnung wird einbehalten. Heizung und Miete werden vom Amt direkt an die Empfänger wie Stadtwerke und Vermieter bezahlt.
Auslandsüberweisungen sind mit der Karte nicht möglich
„Für uns macht das jetzt keinen großen Unterschied, ob wir auf ein Konto oder eine Karte Geld buchen“, sagt Sozialamts-Leiter Gustav Rothhaar. Aber für die Bezahlkarte gibt es eine sogenannte „schwarze Liste“: Nicht möglich sind Auslandsüberweisungen. Auch gesperrt sind unter anderem Wettbüros, Online-Casinos oder Bezahlungen ins Darknet. So soll verhindert werden, dass Schindluder mit dem Geld getrieben wird. Möglich seien allerdings Bestellungen beispielsweise bei Amazon. Die Karte funktioniert auch außerhalb von Pirmasens, nicht jedoch im Ausland.
Pro Karte können lediglich bis zu 150 Euro in Bar abgehoben werden, sozusagen als Taschengeld für die Barzahlung. Die Karte wird nur an Flüchtlinge ausgegeben, die entweder gar nicht arbeiten oder aber erst weniger als ein halbes Jahr einer Arbeit nachgehen. „Das betrifft bei uns momentan etwa 70 Personen“, sagt Rothhaar. Der Amtsleiter sieht in der Karte keine Nachteile, im Gegenteil. „Aus unserer Erfahrung ist es so, dass die meisten eh so schnell wie möglich arbeiten wollen. Die sehen das bei anderen Flüchtlingen und möchten auch ein eigenständiges Leben führen und Geld verdienen.“ Bisher gab es nur eine Handvoll Fälle, bei denen das Sozialamt sanktionieren musste. Wer zum Beispiel zwei Mal beim verpflichtenden Integrationskurs unentschuldigt fehlt, bekommt Besuch vom Amt. „Das funktioniert“, sagt Rothhaar.
Während die Stadtverwaltung schnell gehandelt hat mit der Einführung, kommt Kritik aus den Reihen der SPD. „Wir haben uns von Anfang an der Bezahlkarte nicht verschlossen. Wir sind aber nach wie vor gegen eine Inselllösung, deren Nutzen sich uns zwei bis drei Monate vor der Einführung einer landes- oder bundesweiten Bezahlkarte nicht erschließt“, sagt SPD-Fraktionschef Sebastian Tilly. „Es wurden keine Argumente im Stadtrat geliefert, die den Alleingang stützen, das ist reines Wahlkampfgetöse“, sagt Tilly.
SPD kritisiert Insellösung als Wahlkampfgetöse
Laut Rothhaar liegen die geschätzten Kosten für die Karte bei 9-10000 Euro pro Jahr. Man sei allerdings nicht an eine Mindestlaufzeit oder Mindestabnahme gebunden. Kommt beispielsweise eine landesweite Lösung, könne man die problemlos auch umsetzen. Momentan habe der Flüchtlingsstrom auch nachgelassen. Jede Woche käme ein bis drei Neue in die Stadt, vergangenes Jahr war es wöchentlich teilweise das Doppelte.