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Mit der Kamera unterwegs im Pirmasens der 1960er Jahre

von Oliver Siebisch • Titelfoto: Oliver Siebisch

Helmut-Grüny-Ausstellung ab jetzt im Stadtmuseum

Kulturamtschefin Heike Wittmer und Stadtarchiv-Mitarbeiter Peter Felber werfen vor der Eröffnung noch einmal einen Blick auf die neue Sonderausstellung im Stadtmuseum. Sie trägt den Titel „Pirmasens in den 1960er-Jahren: Eine Zeitreise in Bildern“ und rankt sich in 40 Schautafeln um das Schaffen des Pirmasenser Fotografen Helmut Grüny (1931–2014). Vom Selbstanfertigen von Lichtbildern war der „streitbare Sozialdemokrat“ Grüny zum professionellen Fotografieren übergegangen. Seit den 1950er Jahren als Mitarbeiter für die Pirmasenser Zeitung tätig, hinterließ Grüny mehr als 100.000 Negative, die heute im Stadtarchiv aufbewahrt und sukzessive digitalisiert werden. 

Die Ausstellung zeigt nun die Pirmasenser „Sechziger“, wie Grüny sie durch die Kamera sah. Gegenüber dem „Grieselbild“ des damaligen Zeitungsabdrucks, erklärt Wittmer freudig, liegen die Fotos in deutlich besserer Qualität vor. Um deren Präsentation aufzulockern, wurden die mit zeitgenössischen Mustern hinterlegten Schautafeln mit erklärenden Sprechblasen versehen.

Gästeführerin Christel Glaser hat sich auf einem der Bilder wiedererkannt. Foto: Oliver Siebisch

Zu Beginn der Fotoschau wird das Begehen des 200-jährigen Stadtjubiläums im Jahr 1963 ausführlich thematisiert. „Spannende Highlights“, so Peter Felber, seien Bilder, welche die Anreise von Pirmasensern aus dem Ausland mit dem Flugzeug sowie „Kellner, die durch die Hauptstraße jongliert haben“, zeigen. Ferner hätten Aufnahmen besonderen Wert, auf denen zu sehen ist, wie Amerikaner helfen, das Turmkreuz der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Lutherkirche wieder aufzusetzen. Ebenfalls wurden von Grüny die Messe, die entstehende Partnerschaft mit der französischen Stadt Poissy und Besuche namhafter Politiker festgehalten.

Eindrucksvolle Fußballmomente. Foto: Oliver Siebisch

Grünys Ablichten von Sportereignissen, sagt Felber, mache einen Großteil des Sammlungsbestandes aus. Das rege Sportvereinsleben in Pirmasens, FKP-Spiele, Reitturniere und Autorennen hätten sich im Schaffen des Fotografen deutlich niedergeschlagen. So ist denn auch eine Aufnahme von Fritz Walter zu bestaunen. Wittmer ergänzt, dass zudem zahlreiche Verkehrsunfälle, überhaupt das technisch Neue, wie Ampelanlagen und Verkehrsinseln, von Grüny in den 1960er Jahren fotografisch festgehalten wurden. „Der Blick in die Zeit“, sagt die Kulturamtschefin, „bietet ganz viele Anknüpfungspunkte, um vieles noch einmal zu überlegen und darüber nachzudenken“. Nachdenken könne man auch über Mode. Diese lässt Peter Felber lächeln, denn sein Blick fällt auf das Foto eines namhaften Schuhfabrikanten, der Pfeife rauchend an einer Nähmaschine sitzt, sodann auf das damals verbreitete Damen-Schuhmodell mit Pfennigabsatz: Es sei „Gift für alle Laminatböden“ gewesen.

Kulturamtschefin Wittmer spricht im Landgrafensaal. Foto: Oliver Siebisch

Nach dem Beenden der Besichtigung betreten Heike Wittmer und Peter Felber den Landgrafensaal des alten Rathauses. Die Vorhänge sind zugezogen, da Bildmaterial an die Wand projiziert wird: Dieses dient der Kulturamtschefin zur Veranschaulichung ihres angekündigten und gleich darauf anhebenden Vortrags über Helmut Grünys Schaffen, der jedoch weit mehr bietet als vermutet: Sie gibt einem vielköpfigen Publikum eine kleine, gelegentlich heitere kulturgeschichtliche Darstellung des Weltgeschehens der 1960er Jahre und kommt, davon ausgehend, immer wieder auf Grünys Dokumentation der auch für Pirmasens bewegten Dekade zu sprechen. Die gespannte, nur hier und da durch ein hörbares Schmunzeln unterbrochene Ruhe der Zuhörerschaft verrät, wie fesselnd der Sachgegenstand und wie beeindruckend Wittmers Art der Schilderung ist.

Von Grünys Herangehensweise an das Einfangen des Jahrzehnts kann sich jeder Interessierte selbst ein Bild machen. Die Ausstellung im Stadtmuseum ist dienstags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.