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Der Pirmasenser SPD-Spitzenkandidat Sebastian Tilly. Foto: privat

Vertrauen schaffen und dem Trend der Bundes-SPD trotzen

von Thomas Müller

Sebastian Tilly im Interview

Nicht nur den OB, sondern auch den SPD-Fraktionschef von der Opposition im Stadtrat wollen wir zu Wort kommen lassen. Deshalb haben wir uns mit Sebastian Tilly über die dringlichen Fragen zu Pirmasens unterhalten. Lest hier das Interview:

Psst!: Dem amtierenden Oberbürgermeister haben wir diese Frage gestellt, darum auch an Sie: Wir stehen in zehn Jahren auf dem Exerzierplatz, wie hat sich die Stadt verändert?

Sebastian Tilly: In 10 Jahren schauen wir auf eine energieautarke Stadt, die die Transformation zu erneuerbaren Energien geschafft hat. Dadurch hat sich die Finanzsituation der Stadt deutlich verbessert. Fachkräfte und junge Familien schätzen das tolle Kultur- und Bildungsangebot der Stadt und das günstige Bauland zieht auch Menschen von außerhalb an. Durch Kooperation von Stadt/Wirtschaft/Hochschule fassen moderne Firmen hier Fuß und die Arbeitslosigkeit gehört immer mehr der Vergangenheit an. Die Innenstadt ist durch Gastronomie, Kultur und Wohnungen wieder das pulsierende, grüne Herz der Stadt das auch in warmen Sommern durch viel Grün Abkühlung bietet.

Wie ordnen Sie den kommunalen Entschuldungsfonds des Landes mit den erlassenen 294 Mio. Euro für die Stadt ein? Reicht das oder ist das zu wenig?

Der Schuldenstand der Stadt Pirmasens ist höher als die vom kommunalen Entschuldungsfond übernommene Summe, daher ist es wichtig gemeinsam mit den Akteuren in Bund und Land dafür zu sorgen, dass auch der noch fehlende Restbetrag ebenfalls erlassen wird. Wir waren während der Corona-Pandemie bereits schon einmal kurz davor, dass es ein vollständiges Entschuldungsprogramm seitens des Bundes kommt, dies haben aber die CDU geführten Länder damals verhindert. Daher könnten wir hier schon deutlich weiter sein. Aber natürlich hilft auch die Entlastung von knapp 300 Mio. Euro ungemein, da insbesondere die Zinsen für Kredite in Millionenhöhe gespart werden.

Natürlich ist es wichtig, dass zum einen nun auch noch auch der restliche Schuldenbetrag erlassen wird und zum anderen auch eine auskömmliche Finanzierung der laufenden Ausgaben sichergestellt wird. Dazu wird das Land Rheinland-Pfalz den kommunalen Entschuldungsfond evaluieren, um sicherzustellen, dass die Kommunen passgenau ausgestattet werden. Außerdem soll der KFA auch nochmals um Geld aufgestockt werden. Dann wird man sehen, ob die Finanzierung auskömmlich ist. Auf der anderen Seite müssen natürlich auch eigene Anstrengungen der Stadt Pirmasens (bessere Nutzung Fördermittel, IKZ, endlich Abbau der Langzeitarbeitslosen…)

Fülle an Ma0nahmen, um aus der Sozial-Spirale heraus zu kommen nötig

Seit Jahrzehnten erdrücken die Kosten für Soziales die Stadt. Wie kann es gelingen, aus dieser Spirale herauszukommen?

Der größte Kostenfaktor im städtischen Haushalt ist der Sozialetat. Hier nimmt Pirmasens auf Grund seiner sehr hohen Arbeitslosenzahlen und insbesondere der hohen Quote an Langzeitarbeitslosen eine Sonderrolle ein. Dies belastet natürlich den Haushalt mehr als dies in anderen Kommunen der Fall ist. Aus diesem Grund müssen wir dafür endlich eine Lösung finden. Dazu haben wir in der kommenden Wahlperiode folgende Maßnahmen vor, um hier zu einer Lösung zu kommen:

– Wir werden eng mit den hiesigen Betrieben zusammenarbeiten und setzen uns ein, für genügend Gewerbeflächen, damit Betriebe nicht abwandern müssen und neue Unternehmen sich ansiedeln können.

– Wir schaffen endlich ein Bündnis für Arbeit und nutzen neue Konzepte wie Jobcoach24, damit Menschen, die lange ohne Arbeit sind die richtigen Chancen bekommen, dauerhaft wieder in Arbeit zu kommen, anstatt nur vorübergehend für die Stadtverwaltung als billige Arbeitskräfte genutzt zu werden.

– Wir setzen uns für eine intensive Vernetzung von Stadt und Hochschule ein, damit die Fachkräfte, die bei uns ausgebildet werden, auch dauerhaft bei uns bleiben. Dazu werden wir Ausgründungen fördern und die Kontakte zu den lokalen Arbeitgebern intensivieren.

– Wir setzen uns ein, dass die digitale Infrastruktur massiv ausgebaut wird. Dazu gehört der Ausbau von Glasfaseranschlüssen und die Schaffung moderner Arbeitsangebote wie Co-Working Space zu bezahlbaren Preisen. So werden wir für Unternehmen und Fachkräfte zu einem interessanten Standort.

– Wir starten eine Initiative zur Gewinnung junger Fachkräfte. Dabei stellen wird die attraktiven Rahmenbedingungen der Stadt Pirmasens in den Vordergrund (günstiges Bauland, günstige Mieten, gute Karrierechancen, kostenfreie Kitas, Naherholung). Der Aufbau eines Betreuungsnetzwerkes unterstützt insbesondere junge Familien bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

– Wir schaffen gute Rahmenbedingungen für die Übergabe von bestehenden Firmen an potentielle Nachfolger (Firmenbörse, Coachingangebote…)

– Wir arbeiten mit unseren Nachbargemeinden eng zusammen, um für die gesamte Region Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Pirmasenser SPD hat für die Kommunalwahl 45 Personen aufgestellt. Findet man heute noch Menschen, die sich kommunalpolitisch engagieren möchten?

Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass es immer schwieriger wird Menschen für die Arbeit in einer Partei zu begeistern. Dies kann nur gelingen, wenn wir es schaffen, dauerhaft Vertrauen in die Politik zu schaffen, indem wir uns um die Anliegen der Menschen vor Ort kümmern. Gerade wenn wir Zuversicht für Projekte, die wir umsetzen wollen schaffen, können wir die Menschen für uns gewinnen. Dies zeigt auch diese Liste, die ganz viel verschiedene Bürgerinnen und Bürger jeden Alters und aus unterschiedlichen Berufsgruppen aufgenommen hat. So können wir auf für jeden ein entsprechendes Angebot machen.

Für die nun zu Ende gehende Wahlperiode hatte die SPD einen 8-Punkte-Plan für Pirmasens aufgestellt. Was konnten Sie davon umsetzen?

Die 8 Punkte konnten leider nur unzureichend verwirklicht werden, da aus der Opposition heraus nur begrenzt Impulse gesetzt werden können.

Sind Sie mit der Arbeit des Stadtrates zufrieden?

Im Großen und Ganzen läuft die Arbeit im Stadtrat zufriedenstellend. Bei großen Projekten (Bücherei, Krankenhaus…) ziehen alle demokratischen Parteien an einem Strang und versuchen eine Lösung zum wohl der Stadt zu finden. In vielen kleinen Punkten zeigt sich aber der unbedingte Wille der Mehrheitsfraktion (insbesondere CDU), dass nur ihre Meinung die richtige ist und was von außen kommt grundsätzlich erst abgelehnt wird.

Wo sehen Sie Verbesserungspotential?

Ein Zurück zur Sachpolitik weg von dem Beharren auf die eigene Deutungshoheit. Wie oft wurden in der Vergangenheit Anträge aus der Opposition (Essbare Stadt, Neuffervilla, Waldkindergarten) abgelehnt, nur um diese dann später umzusetzen und dabei teils hanebüchen zu begründen, warum es eine ganz eigene Idee der CDU ist. Die Einsicht, dass auch andere mal eine gute Idee haben, schadet nicht, im Gegenteil auch die anderen Parteien fühlen sich ernst genommen.

Sie haben kritisiert, dass der Oberbürgermeister omnipräsent in den sozialen Medien ist. Was würden Sie anders machen?

Es schadet nicht, wenn man als Oberbürgermeister auch in sozialen Medien aktiv ist. Dies sollte aber vor allem dazu dienen eigene Ideen, Akteure vor Ort und wichtige Ereignisse darzustellen. Zudem kann darüber Bürgern die Möglichkeit gegeben werden mit Politikern auf niederschwelliger Ebene in Kontakt zu treten. So haben die Bürger:innen einen echten Mehrwert. So wie es im Moment gehandhabt wird, dient es ausschließlich der Selbstdarstellung, das kann nicht Sinn und Zweck sein.

Ziel muss es sein, die Leute mitzunehmen und nah dran zu sein

Schadet die Politik der Bundes-SPD ihrer Partei hier vor Ort?

Gerade im vergangenen Jahr war die Situation an den Infoständen stark von der Bundespolitik geprägt. Dies hat dazu geführt, dass die Menschen vor Ort häufig ihren Unmut verbal – auch unter der Gürtellinie – zum Ausdruck gebracht haben. Dies konnte ich bei den Infoständen in diesem Jahr nicht feststellen, da es mit der Kommunalwahl gerade um die Politik vor Ort geht. Daher bleibt die Hoffnung, dass wir – wie auch bei der letzten Kommunalwahl – dem Bundestrend trotzen.

Wie empfinden Sie das Politikempfinden der Bürger vor Ort? Wie kann es gelingen, die Menschen wieder abzuholen und dass die sich wieder verstanden fühlen und engagieren?

Es ist unsere Aufgabe als Stadtrat die Pirmasenserinnen und Pirmasenser wieder mitzunehmen und Vertrauen darin zu schaffen, dass wir die Stadt gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern voranbringen. Dies kann nur Gelingen, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungen mit einbeziehen und transparent alles kommunizieren, was die Bürger betrifft. Daher wollen wir zukünftig in den Stadteilen und Vororten mindestens zweimal jährlich ein Bürgerforum veranstalten, dass die Menschen vor Ort im direkten Austausch Probleme und Wünsche für ihren Stadtteil/Vorort einbringen können. So fühlen sich die Menschen ernst genommen und Vertrauen in die Politik kann zurück gewonnen werden

Was glauben Sie: wie wird die AfD bei der Kommunalwahl abschneiden?

Die Kandidaten der AfD sind zwar eher unbekannt, nicht desto trotz rechne ich mit einer starken AfD nach der Kommunalwahl, da sie mit vermeintlich einfachen/populistischen Lösungen die Unzufriedenen anspricht.

Was ist Ihr Rezept gegen den Erfolg der AfD?

Transparenz, Dialog mit den Bürgern, Sorgen der Bürger:innen ernst nehmen oder wie Kurt Beck immer gesagt hat „nah bei de Leut“ sein.

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Themen in Pirmasens für die nächsten 5 Jahre?

Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit

Transformation der Innenstadt

Fachkräftemangel

Warum würden Sie nie aus Pirmasens wegziehen?

Die besondere Art der Pirmasenser:innen und natürlich die tolle Landschaft und der Pfälzer Wald. Wir leben dort, andere Urlaub machen.