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Oberbürgermeister Markus Zwick

„Wir werden nicht so stark schrumpfen, wie vorhergesagt!“ Interview mit Oberbürgermeister Markus Zwick

von Thomas Müller

Mit Oberbürgermeister Markus Zwick haben wir über die finanzielle Situation der Stadt, die Entwicklungsmöglichkeiten in den nächsten Jahren und über das Thema Wohnraum gesprochen. Außerdem verrät uns das Stadtoberhaupt, in welcher Liga seiner Meinung nach der FKP 2034 spielen sollte.

Jetzt reinlesen ins Interview.

psst!: Stellen wir uns vor, wir stehen am 29. März 2034 auf dem Exerzierplatz in Pirmasens. Wie hat sich die Stadt im Vergleich zu heute verändert? 

Markus Zwick: Das Land hat 2034 einen verfassungskonformen Finanzausgleich geschaffen. Der Bund hat die restlichen Schulden der Stadt übernommen. Pirmasens hat wieder finanzielle Spielräume. So konnte mehr in die kommunale Infrastruktur investiert werden. Weitere Schulen, Kindergärten und andere öffentliche Gebäude wurden saniert. Straßen, Plätze und öffentliche Anlagen ebenso. Die Arbeitslosigkeit hat sich weiter reduziert. Pirmasens ist noch nachhaltiger geworden. Der Wirtschaftsstandort hat sich weiter stabilisiert. Die Lebensqualität ist weiter gestiegen.

Ende Februar wurden der Stadt 294 Millionen Euro an Schulden mit dem Beitritt zum kommunalen Entschuldungsfons erlassen. Im Gegenzug müsste die Stadt u.a. einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wird sie das jemals wieder schaffen?

Die Stadt hatte im Jahr 2023 seit 30 Jahren erstmals wieder einen ausgeglichenen Haushalt. Dem lag unter anderem ein geänderter „Kommunaler Finanzausgleich“ zugrunde. Diesen „bedarfsorientierten“ Finanzausgleich musste das Land Rheinland-Pfalz erlassen, weil es eine Klage der Stadt Pirmasens vor dem Verfassungsgerichtshof in Koblenz verloren hatte.

Bereits 2024 ist ein Haushaltsausgleich nicht mehr möglich. Grund dafür sind zu unzureichenden Zuweisungen und die viel zu geringe Ausgleichsmasse im Kommunalen Finanzausgleich des Landes. Hier fehlen im Jahr 2024 mehrere hundert Millionen Euro für die Kommunen im Land. Das Problem wirkt sich nicht nur auf die Stadt Pirmasens aus, sondern auf die Mehrzahl der rheinland-pfälzischen Landkreise sowie viele Städte und Gemeinden.

Da das Land die Kommunen augenscheinlich nicht „auskömmlich“ finanziert, wie es das Grundgesetz und die Landesverfassung fordern, wird das Land nacharbeiten müssen. Ich rechne damit, dass das Land hier in absehbarer Zeit Lösungen findet. Sollte das Land sich nicht bewegen, wird es zu neuen und aussichtsreichen kommunalen Klageverfahren kommen.

Ich bin deshalb optimistisch, dass es in absehbarer Zeit eine Lösung des Problems geben wird und dass die Stadt künftig wieder ausgeglichene Haushalte aufstellen können wird.

Idar-Oberstein hat durch die Gewerbesteuereinnahmen von Biontech fast eine halbe Milliarde Euro eingenommen. Wäre Ihnen ein solcher Geldsegen lieber gewesen?

Ein solcher Geldsegen wäre sicherlich schön. Er löst allerdings die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen nicht auf Dauer. Insoweit ist es viel wichtiger, für die Zukunft eine auskömmliche und verfassungskonforme Finanzausstattung der Kommunen zu erreichen. Dazu bedarf es keines unverhofften „Geldsegens“, sondern einer vernünftigen Finanzplanung des Landes. Die Lösung liegt auf dem Tisch. Sie muss nur noch vom Land umgesetzt werden.

Welche Handlungsspielräume ergeben sich aus der Entschuldung für Pirmasens?

Ohne die Entschuldung wäre Pirmasens von den gestiegenen Zinsen „erdrückt“ worden. Die Stadt hätte so hohe Zinsleistungen aufbringen müssen, dass sie quasi keine finanziellen Spielräume mehr gehabt hätte. Durch die Teilentschuldung sind die Schulden aber noch nicht vollständig getilgt. Pirmasens hat deshalb auch weiterhin Belastungen durch die verbliebenen Schulden. Neue Handlungsspielräume hat die Teilentschuldung somit nicht eröffnet. Verbesserungen können nur durch eine künftig auskömmliche finanzielle Ausstattung der Stadt durch das Land Rheinland-Pfalz erreicht werden. Erst wenn die strukturelle Unterfinanzierung der Stadt durch das Land beendet wird, ergeben sich neue Handlungsspielräume.

Gibt es schon konkrete Projekte, die durch den Entschuldungsfonds realisiert werden können?

Projekte wie der Ausbau der südlichen Hauptstraße, der Neubau der Turnhalle beim TVP und die Sanierung der Pakethalle zu einem neuen Jugendhaus wären nicht möglich gewesen, wenn die Stadt nicht entschuldet worden wäre.

Das Thema „marode Infrastruktur“ stellt für viele Kommunen eine große Herausforderung dar. Wie wollen Sie das in Pirmasens lösen?

Durch die wiederkehrenden Beiträge haben wir seit deren Einführung über 150 Straßen saniert. Auch in Schulen und Kindergärten investieren wir kräftig. Durch die mangelhafte Finanzausstattung ist die Stadt aber trotzdem zum eisernen Sparen gezwungen, was zu einem Verschleiß der Infrastruktur führt. Insoweit lässt sich auch dieses Problem nur mit gesunden Kommunalfinanzen durch das Land Rheinland-Pfalz lösen.

Die Einwohnerzahl von Pirmasens hat sich in den letzten Jahren stabilisiert. Wird es in den nächsten zehn Jahren einen Einwohnerschwund geben oder wird unsere Stadt wieder wachsen?

Nach den Prognosen der Statistiker müsste Pirmasens eigentlich bereits etliche tausend Einwohner weniger haben. Denn die Wissenschaft sagt Pirmasens einen extremen Einwohnerschwund voraus. Der Grund: Pirmasens hat sehr viele ältere Menschen. Aufgrund dieser Alterspyramide sterben jährlich mehrere hundert Menschen mehr, als geboren werden. Eigentlich müsste Pirmasens also deutlich schrumpfen.

Tatsächlich wächst Pirmasens aber in manchen Jahren sogar wieder. Die Stadt verzeichnet deutlich mehr Zuzüge als Wegzüge. Dadurch wird das Geburtendefizit nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert. Anders ausgedrückt: wir haben so viele Zuzüge, dass Pirmasens nicht mehr schrumpft, sondern seit einigen Jahren sogar wieder zeitweise wächst.

Ich rechne in den kommenden Jahren mit stabilen Bevölkerungszahlen. Die Stadt wird jedenfalls nicht so stark schrumpfen, wie oft vorhergesagt.  

Wo wird in Pirmasens derzeit Wohnraum benötigt?

Wohnraum ist in Pirmasens eigentlich überall gefragt. Pirmasens hat nach wie vor Leerstände, vor allem in der Innenstadt. Hier gibt es teilweise einen erheblichen Sanierungsstau. Für Grundstückseigentümer lohnt es sich deshalb, in die Gebäude zu investieren. Erfahrungsgemäß sind modernisierte Wohnungen in Pirmasens sehr schnell vermietet. Das betrifft Wohnungen aller Preisklassen, vom einfachen Wohnraum bis hin zu gehobenem Wohnraum. 

Bei unseren Nachbarn im Saarland gibt es derzeit eine Diskussion ums Einfamilienhaus, das laut dem dortigen Innenministerium zukünftig eher die Ausnahme bei der Wohnraumschaffung sein wird. Wird es in Pirmasens auch weiterhin Neubaugebiete für Familien geben?

Pirmasens verfolgt schon seit vielen Jahren den Grundsatz „Innen- vor Außenentwicklung“. D. h. zunächst sollen bereits erschlossene Bauplätze bebaut oder Leerstände revitalisiert werden. Allerdings gibt es auch einen gewissen Bedarf an Neubauland, der bedient werden muss. Die setzt die Verwaltung seit einiger Zeit so um, dass es Bauverpflichtungen für die Käufer gibt. Dadurch wird verhindert, dass Bauplätze erschlossen aber nicht bebaut werden. Auf diese Weise wird Pirmasens auch künftig Neubauland für Familien erschließen. 

Die Anpassung an den Klimawandel ist ein weiteres Zukunftsthema für Kommunen. Was wird in Pirmasens getan?

Pirmasens ist zweimaliger Preisträger des deutschen Nachhaltigkeitspreises. Die Stadt hat gerade erst am Projekt „SDG Modellregion Pfälzerwald“ teilgenommen und eine städtische Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Dabei werden alle drei Säulen der Nachhaltigkeit, die Ökologie, die Ökonomie und das Soziale berücksichtigt. Die Ziele der Stadt orientieren sich an fünf Handlungsfeldern:

–              Globale Verantwortung und nachhaltiger Konsum

–              Klima- und Umweltschutz

–              Eine Stadt für alle

–              Nachhaltiger Standort

–              Nachhaltige Mobilität

Zu diesen Themenfeldern wurden konkrete Maßnahmen angestoßen, die bis 2030 angestoßen oder umgesetzt werden sollen. Der Aktionsplan findet sich hier.

Was könnten wir alle tun, um unsere Innenstadt zu stärken? Was passiert vor allem in der Fußgängerzone?

Die Stadt verfolgt seit vielen Jahren konsequent verschiedene Stadtentwicklungskonzepte, um die Innenstadt zu schützen und zu stärken. Dazu gehört unter anderem ein Einzelhandelskonzept, ein Marketingkonzept, die Gestaltung von Entwicklungsachsen, eine Sanierungssatzung für die Innenstadt, ein Städtebauförderprogramm für private Investitionen, der Einsatz einer City-Managerin, die Förderung von Quartiersbüros, unsere Stadtfeste, die Förderung von Pop-Up-Stores, die stufenweise Sanierung der Fußgängerzone, usw.

Jeder einzelne könnte die Fußgängerzone stärken, indem er den Handel, die Gastronomie, die Dienstleister, die Feste und Veranstaltungen wieder stärker als Kunde nutzt. Anstatt online einzukaufen, Geschäfte auf der „grünen Wiese“ oder Outlets zu besuchen, sollte wieder stärker der innerstädtische Handel genutzt werden.                     

Wenn Sie einen Wunsch an Ihre Bürgerinnen und Bürger hätten, welcher wäre das?

Bleiben Sie bitte so wie Sie sind!

Noch eine Frage zum Schluss: In welcher Liga spielt der FKP 2034?

Ich möchte bescheiden bleiben und sehe die Klub dann in der 2. Bundesliga!

Vielen Dank für das Interview!