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- Story von Thomas Müller
Ein Tag mit den Helfern der Pirmasenser Tafel
psst! Pirmasenser Storys blickt hinter die Kulissen
Es ist 7.45 Uhr früh am Morgen, doch vor den Räumlichkeiten der Pirmasenser Tafel herrscht schon reges Treiben. Die drei großen Kühl-Fahrzeuge werden vorbereitet für die Touren, um Lebensmittel einzusammeln. „Sie sind also der junge Mann, der heute mit anpackt?“, fragt mich Klaus Mansmann. Ich bejahe. Denn psst! Pirmasenser Storys begleiten die ehrenamtlichen Helfer des Vereins für einen ganzen Tag.
Drei Touren gibt es, die Geschäfte im ganzen Landkreis und darüber hinaus anfahren. An den Wänden im Inneren hängen Dienst- und Tourenpläne. Es wirkt ein bisschen, wie bei einer richtigen Firma. „Das geht hoch bis Heltersberg oder raus ins Dahner Felsenland“, erklärt Klaus. Ich darf die Stadttour mitfahren. Meine Begleiter sind Adolf Sereda und Stefan Fleckenstein. Der kommt sogar aus Fischbach bei Dahn nach Pirmasens gefahren. „Für mich war klar, dass ich im Ruhestand etwas Ehrenamtliches machen will“, sagt er. Seit vier Jahren ist der 61-Jährige dabei, vorher hat er lange Jahre bei Daimler in Ettlingen als Meister gearbeitet. Adolf hilft seit sieben Jahren bei der Tafel. Er ist schon 73, aber noch topfit. „Die Arbeit hier hält jung, da braucht man kein Fitnessstudio“, lacht er.
Wir steuern die ersten Geschäfte an. Unter anderem Esso-Tankstelle, Netto, Aldi, Wasgau, Edeka. Die beiden Tafel-Helfer sind bekannt bei den Mitarbeitern. „Trotzdem melden wir uns natürlich immer an“, sagt Stefan. Die Ausschusswaren, die nicht mehr in den Läden verkauft wird, sind für die Tafel-Mitarbeiter gerichtet. Trotzdem wird noch fleißig aussortiert. „Alles können wir auch nicht mitnehmen, wir haben ja auch Auflagen“, sagt Adolf. Alles wird in grüne Kisten und in den Transporter gepackt. Mit dabei: Milch, Mozzarella, Joghurt, Aufbackbrötchen oder sogar Lachs. Nur um eine kleine Auswahl zu nennen. Auch auf den Wochenmarkt geht es. Obst- und Gemüsehändler Georg Thomas hat schon alles vorbereitet, denn die Waren, die hier mitgenommen werden, kauft die Tafel zu. „Wir helfen gerne und machen einen guten Preis“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Auch bei der Bäckerei Weislogel gibt es Brot und Brötchen. Mitarbeiterin Vlora Amerllahi: „Natürlich könnten wir alles im Laden günstiger verkaufen, aber wir möchten die Tafel gern unterstützen.
Mit gut gefülltem Laderaum geht es zurück in die Werner-Egk-Straße, wo abgeladen wird. Doch auch dort herrscht schon großes Treiben. „Die anderen hier sortieren jetzt alles ein“, sagt Adolf.
Doch es geht noch auf eine zweite Runde. Stefan hat Feierabend und Klaus Mansmann fährt diesmal mit. Der Mann, der mich morgens schon in Empfang genomen hat. Es geht unter anderem in die Wasgau-Bäckerei Brot abholen, Das ist heute eine Menge. Klaus, ehemaliger Lokführer, weiß anzupacken. Fünf Jahre ist der 69-Jährige schon mit dabei. „Wir haben schon so viel erlebt, aber jede Fahrt ist neu und wir wissen nie, was wir letztendlich bekommen“, sagt er. Er berichtet von spontanen Spenden, hunderten Kilo Wurst zum Beispiel. „Das sind dann natürlich Momente, wo wir schnell und spontan reagieren müssen. Aber die Spendenbereitschaft insgesamt hat schon etwas nachgelassen.” Nachdem der Transporter wieder gut gefüllt ist, geht es zurück zum Hauptquartier. Die anderen Transporter sind auch schon da und haben ihre Waren abgeladen.
Überall in den Räumlichkeiten flitzen Helfer durch die Flure. Es gibt sogar einen „grünen Salon“, wo ausschließlich Obst und Gemüse sortiert wird. Alles andere kommt direkt zum Sortieren in den großen Ausgaberaum. Dort steht auch Elke Wagner hinter dem Tresen und packt fleißig Ware in die Regale. „Oma“ Elke wird sie von jedem hier nur genannt. „Ich bin aber erst 76“, lacht die ehemalige Postangestellte, die aus dem Westerwald stammt und jetzt in Heltersberg lebt. „Es macht unglaublich Spaß hier im Team zu arbeiten, es ist einfach erfüllend“, sagt Oma Elke und packt ein paar Essig-Flaschen zusammen.
Währenddessen bereitet Jutta Kettenring die Brottheke vor. Und man mag es kaum glauben: Es ist eine richtige Auslage, die sogar mal bei einer Bäckerei in Rumbach stand und die Tafel nach der Geschäftsschließung gekauft hat. „Heute ist es viel Brot, das ist gut“, sagt Kettenring, die seit einem Jahr bei der Tafel mit anpackt. „Viel beim Vorbereiten und Richten, aber überall, wo es fehlt. Vorher hat die 69-Jährige als Juristin bei der Verbraucherzentrale gearbeitet. Lediglich Toastbrot wäre wenig dabei, das wird am meisten nachgefragt. Warum Toast, wenn man ein frisch gebackenes Brot haben kann, frage ich mich. Beantworten kann mir das keiner der Helfer.
Die Maschinerie läuft auf Hochtouren. Man merkt, hier weiß jeder, was er zu tun hat. Dennoch ist immer Zeit für einen flotten Spruch und Lachen. Die Arbeit wirkt eingespielt und wie ein gut geöltes Uhrwerk.
Die grünen Körbe werden leerer und weniger, die Waren sind einsortiert. Kurz durchschnaufen um die Mittagszeit und rüsten für den Ansturm. Zeit, um mit Vorstandsmitglied Petra Majer, die auch geholfen hat, zu plaudern. „Ich bin am 1.6.2023 in Ruhestand gegangen, am 1.7.2023 hab ich bei der Tafel angefangen“, sagt sie. Was sagt sie eigentlich zu den Vorwürfen, dass nicht Bedürftige auch zur Tafel kommen würden und beispielsweise mit dem Mercedes vorfahren? „Natürlich gibt es das, aber wir hier prüfen nicht auf Bedürftigkeit, das machen die Ämter.“ Sie ist aber vom Grundkonzept der Tafel überzeugt. „Es geht darum Essen zu retten und Menschen zu helfen“, sagt sie. Irgendwo gäbe es halt immer schwarze Schafe.
Dasselbe berichtet Vorstandskollege Karl-Heinz Schmitt. Erst kürzlich, zum 1. August, musste die Tafel wieder mal einen Aufnahmestopp verhängen. „Wir sind schlicht am Ende unserer Kapazitäten“, sagt er. Rund 900 Bedarfs-Karten wurden bis heute ausgestellt, dahinter stehen etwa 2000 Menschen die die Hilfe der Pirmasenser Tafel in Anspruch nehmen. „Etwa 40 Prozent sind Ausländer, momentan die meisten aus der Ukraine“, berichtet Schmitt. Auch hinter der Ausgabe steckt ein ausgeklügeltes System. „Kunden“, wie die Bedürftigen hier genannt werden, dürfen nur alle 14 Tage zur Abholung kommen. Die Berechtigten sind in vier Farben unterteilt: rot ,blau, schwarz und weiß. Seit zwei Jahren hilft Schmitt bei der Tafel mit. „Das Schönste ist immer noch, die Dankbarkeit in den Augen der Leute zu sehen“, sagt er. Größtes Problem: Es fehlen Helfer! „Wir haben etwa 70 aktive Leute, die meisten im Rentenalter. Jungen Menschen fehlt oft einfach die Zeit, das ist schade“, bedauert Schmitt.
Offiziell beginnt die Ausgabe der Lebensmittel um 15 Uhr. Doch bereits eine halbe Stunde früher stehen die ersten vor der Tür. „Das ist spät heute“, sagt Vereins-Vorstand Gerhard Herrmann. Der 74-Jährige ist seit elf Jahren dabei, leitet die Geschicke des Vereins seit fünf Jahren. „Offiziell sind wir ein Lebensmittelhändler, wir werden kontrolliert, müssen Auflagen erfüllen und Schulungen machen“, sagt er. Beanstandet wurde aber noch nie etwas. „Wir sammeln etwa vier bis fünf Tonnen Lebensmittel pro Woche und retten die so vor dem Müll“, sagt Herrmann. Und selbst, wenn bei der Tafel abends etwas übrig bleibt, kommen Food-Sharer und nehmen die Reste mit.
Etwas früher als die anderen darf Silvia ihre Lebensmittel abholen. Sie ist Tafel-Kundin der ersten Stunde. „Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich für dieses Angebot bin“, sagt sie. Sie ist schwer krank, hat unter anderem Darmkrebs. „Ich muss allein 42 Tabletten am Tag schlucken, hatte schon unzählige Operationen“, erklärt die 57-Jährige, die von Grundsicherung lebt. Was ihr helfe, sei der Glaube. Und was sie sich nicht nehmen lässt: An ihrem Geburtstag spendet sie den Mitarbeitern zwei Kuchen.
Dann geht es los. Heute ist „rot“ an der Reihe. Dazu leuchten an einer Tafel am Eingang Nummern auf. Esther Ochtrop kontrolliert alles auf seine Richtigkeit. Die Kunden bekommen für das nächste Mal wieder eine Nummer auf ihre Berechtigungskarte geschrieben. Mal eine niedrige, eine mittlere, mal eine höhere. „So stellen wir sicher, dass jeder mal zu einer anderen Zeit zum Zuge kommt und so beschwert sich auch keiner“, sagt Ochtrop. Eine junge Ukrainerin ist der schwarzen Gruppe zugeordnet, also am falschen Tag da. Sie versteht nicht wirklich, warum sie heute keine Waren mitnehmen kann. Was hilft? Der Griff zum Handy. Per Übersetzungs-App wird das Missverständnis kurzerhand ausgeräumt. „Das ist so in der heutigen Zeit, alles eine Frage der Verständigung“, sagt die erfahrene Ochtrop.
„Es hilft definitiv über die Runden, ich habe nur 300 Euro im Monat zur Verfügung, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten“, sagt Alexandra Lamb, während sie den grünen Einkaufswagen durch die Ausgabe schiebt. Und sie ist glücklich: Neben den Lebensmitteln gab es für sie heute sogar ein Hundeshampoo. „Das wird daheim natürlich gleich ausprobiert.“
„Mitte des Monats wird das Geld schon knapp, da kommt die Tafel wie gerufen“, sagt Shannon Benz. Die Alleinerziehende 26-Jährige bekommt Bürgergeld, sagt sie. Sohn Jayden ist ein Jahr alt, sitzt geduldig im Kinderwagen. „Manchmal fährt mich meine Mutter, sie hat aber heute keine Zeit.“ Zum Überbrücken bis es wieder Geld gibt, würde die Hilfe der Tafel aber reichen.
Einer nach dem anderen kommt an die Reihe, die Schlange reißt nicht ab. Erst gegen Ende der Ausgabe gegen 16.30 Uhr kommt keiner mehr. Die angesprochenen Ukrainer lehnen freundlich ein Gespräch ab, ihre Deutsch- und Englischkenntnisse wären schlichtweg zu schlecht.
Feierabend! Als der letzte Kunde von den etwas über 100 an diesem Tag die Räume verlässt, beginnt sofort das Zusammenräumen und Putzen. In Windeseile sind die grünen Körbe an der hauseigenen Waschmaschine, die Ausgabeflächen abgewischt. Schon jetzt laufen die Vorbereitungen für den Donnerstag, den zweiten Ausgabetag der Woche. Dann geht das Spiel von vorne los.
Was nehme ich mit? Es ist unglaublich, wie gut organisiert das Ehrenamt bei der Tafel läuft. Es ist traurig zu sehen, wie viele Menschen auf diese Hilfe angewiesen sind. Dennoch gehe ich mit einem guten Gefühl nach Hause und denke mir: „Gut, dass es so einen Verein wie die Tafel gibt.“
Wer bei der Tafel helfen möchte, kann sich jederzeit melden. Kontakt: 06331/148697 oder per Mail unter info@pirmasenser-tafel.de