„Unser Lohn ist der Dank der Menschen!“

Auch der Chef legt Hand an: Zenturion Uwe Becker aus Bad Bergzabern beim Haareschneiden. Foto: Petry
Mit Andreas Petry

Barber Angels schneiden Bedürftigen in Pirmasens kostenlos die Haare

„Hallo, ich bin Jessi“, so stellt sich die 38-jährige Friseurgesellin Jessica den Menschen vor, die sich bei ihr auf einen Friseurstuhl setzen. Immer und immer wieder.  Jessica gehört zum 13- köpfigen Team der „Barber Angels“ die am Sonntag in den Räumlichkeiten der Pirmasenser Tafel zwischen 13 und 18 Uhr ihren provisorischen Friseursalon eingerichtet haben. Sie sind gekommen, um zu schneiden, die Haare für diejenigen in unserer Gesellschaft, für die ein Friseurbesuch nahezu unerschwinglich ist. Rund 50 Frauen, Männer und auch einige Kinder haben dieses kostenlose Angebot genutzt.

Dazu gehört auch Irmtraud aus Pirmasens. Die 77-jährige Frau gibt unumwunden zu: „Mein Geld reicht nicht, um zum Friseur zu gehen. „Mindestens seit vier Jahren war ich nicht mehr dort“, sagt Irmtraud, die, wie viele andere die dieses Angebot wahrgenommen haben, auch Tafelkundin ist. „Von der schmalen Rente ist kaum etwas übrig, so ein Haarschnitt ist echter Luxus heutzutage.“

Auch die 28-jährige Angelina, die von Jessi frisiert wird gehört dazu. „Ich bin arbeitslos, da ist geldmäßig nicht viel drin“, nennt sie die Gründe, warum sie heute zur Tafel gekommen ist.

Wie neu: Irmtraud freut sich über ihre neue Frisur. Foto: Petry.
Wie neu: Irmtraud freut sich über ihre neue Frisur. Foto: Petry.

„Wir sind zum ersten Mal in Pirmasens“, sagt Uwe Becker. Der 50-jährige Friseurmeister mit eigenem Salon in Bad Bergzabern ist der Zenturio des Chapters Rheinland-Pfalz, so seine offizielle Bezeichnung. Er ist der Chef des Teams, sein Wort hat Gewicht: „Klar gehen wir in die Verlängerung“, sagt der 50-jährige. Denn bis 16 Uhr waren längst nicht alle Haare geschnitten oder Bärte gestutzt. „Die Ansprüche der Menschen, sind nicht sehr hoch“, erklärt Becker, während er auf einem mit Folie umwickelten Bürostuhl einen seiner „Kunden“ bedient. „Unser Lohn ist der Dank der Menschen“, freut sich der „Barber Angel“, wenn die Menschen mit strahlendem Augen und großer Freude über die neue Frisur und einem neuem Selbstwertgefühl wieder nach Hause gehen.

Becker und seine Kolleginnen und Kollegen, tragen übrigens alle schwarze Hosen und ein schwarzes Shirt. Wer länger dabei ist und in den 2016 in Biberach/Riss gegründeten bundesweit agierenden Verein aufgenommen worden ist, trägt auch noch die „Barber Angel Kutte.“ Die ist mit verschiedenen Aufklebern von Sponsoren, der internen Funktionen und des Vereinswappen bestückt. „Nur die Rückseite musste frei bleiben“, berichtet Becker, dass ein großer Motorradclub dies nicht erlaubt habe.

Friseurin Jessica schneidet einem Mädchen die Haare. Sie hatte die Idee zum Besuch der Barber Angels. Foto: Petry
Friseurin Jessica schneidet einem Mädchen die Haare. Sie hatte die Idee zum Besuch der Barber Angels. Foto: Petry

Doch zurück zu Jessica, denn ihr ist es überhaupt zu verdanken, dass die Pirmasenser zu einer kostenlosen neuen Frisur gekommen sind. Die Friseurgesellin arbeitet seit 2017 im „Salon Raquet“ in Thaleischweiler-Fröschen. „Ich bin in Facebook auf den Verein gestoßen, habe auf der Messe „Hair&Beauty“ in Düsseldorf mit den Verantwortlichen Kontakt aufgenommen“, sagt die Deutsch-Amerikanerin, die in Landstuhl geboren ist. Über sie und Becker kam auch der Kontakt zur Familie Maurer, den Chefs der Tafel zustande. Die Motivation von Jessica, die am Sonntag noch als Gast-Angel arbeitete, beim nächsten „Barber Angel“-Einsatz erstmals dann die Kutte tragen kann, ist nachvollziehbar. „Ich bin selbst als Heimkind groß geworden, weiß wie ist ohne Geld zu leben“, kann sie sich in die Menschen hineindenken, die das Angebot dankend angenommen haben.

Irmtraud aus Pirmasens vor dem kostenlosen Haarschnitt der Barber Angels. Foto: Petry
Irmtraud aus Pirmasens vor dem kostenlosen Haarschnitt der Barber Angels. Foto: Petry

„Am liebsten schneiden wir im Freien“ bedauerte Becker, dass die Witterung ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht habe. So wurde vor dem Tafel-Eingang ein Zelt- Pavillon als Wartebereich aufgebaut. Hier empfängt „Stolli“ (Stefan Stoll), die rechte Hand Beckers, die Kundinnen und Kunden, findet dabei mit seiner kernigen und zugleich rührenden Art immer die richtigen Worte, um den teils zurückhaltenden Menschen die Scheu zu nehmen. Sie werden von ihm zur Anmeldung geschickt. Dort erhalten sie ihre Nummern-Karte, mit der sie dann aufgerufen werden. Mit dabei waren auch Peppe und Casi, die Inhaber von „Keipis Pizza-Mobil“ aus Bad Bergzabern, die alle mit leckeren, frisch gemachten Pizzen versorgten. Auch sie gehören zum Freundes- und Bekanntenkreis Beckers, der betont. „Viele in der Organisation sind Kunden von mir oder Freunde.“