Vorprogrammierter Systemfehler

Porträtfoto Thomas Müller
Mit Thomas Müller

Meinung zum Rechtsruck bei der Wahl

„Du könntest einen Wischmopp hinstellen und die Leute würden ihn wählen“, kommentierte ein Lokalpolitiker die starken Ergebnisse der AfD bei der Wahl in Pirmasens. Dieser Satz macht nachdenklich. Haben die anderen, „etablierten“ Parteien keine Antwort mehr auf populistische Parolen?

Klar, es gibt viele Probleme in unserem Land, in Europa, auf der Welt im Allgemeinen. Krieg, Energiekrise, Angst vor dem Wohlstandsverlust, Arbeitslosigkeit, Migration. Uneinigkeit und Streit wird von der Regierung in Berlin ja vorgelebt. Das schlägt sich in der digitalisierten Welt auch in der Kommunalpolitik nieder. So weit wir in verwaltungstechnischen Abläufen gegenüber anderen Ländern hinterher hinken, so kleinkariert wird auch Wahlkampf im Internet gemacht. Nur eben falsch. Da wird eigenen Parteimitgliedern schnell mal verboten, einen Beitrag des Konkurrenten bei Facebook oder Instagram mit gefällt mir zu markieren. Kleinkariert ist das. Gerade am Wahlsonntag hat eine 14-Jährige im Pirmasenser Rathaus das Problem auf den Punkt gebracht: Wenn sie die Social-Media-Plattform TikTok öffnet, flattern ihr im Minutentakt Clips der AfD entgegen. Von den anderen Parteien in der Stadt kennt die Teenagerin eigentlich niemanden. Wenn man tagtäglich mit populistischen Parolen beschallt wird, glaubt man das vielleicht auch irgendwann. Ein vorprogrammierter Systemfehler sozusagen, weil Wahlkampf heutzutage (leider) nicht mehr nur an den Haustüren oder Infoständen gemacht wird.

Wenn ein Spitzenkandidat der AfD bei einer Podiumsdiskussion auf die Frage zu den Pirmasenser Stadtfinanzen erstmal sagt, dass er sich erst einen Überblick verschaffen und in das Thema einlesen muss, ist das kurz vorm Wahltag ein Armutszeugnis. Den Leuten scheint das aber leidlich egal zu sein. Was zählt ist das Dagegensein, egal ob es dafür Beweise oder Fakten gibt. Was zumindest die eingangs beschriebene Wischmopp-Theorie bestätigt. Ebenfalls auffällig: Während so gut wie alle Parteien mit Gesichtern um Stimmen warben, waren auf den AfD-Plakaten nur Sprüche zu lesen. Taktik? Die ging wohl auf. Denn die meisten, die ihr blaues Kreuzchen gemacht haben, wissen gar nicht, welche Personen sie in den Stadtrat gewählt haben, der künftig die Interessen der Bürger vertreten soll.

In ganz Europa ist der Trend nach Rechts beängstigend

Der Trend ist beängstigend, auch beim Blick in die Nachbarländer. Sei es Frankreich, Italien, Holland oder Österreich – überall legen die Nationalisten und Rechtspopulisten zu. Ob die auf lange Sicht mit der „Unser-Land-zuerst-Mentalität“ Lösungen bringen sei dahingestellt. Denn mit Blick auf Europa und einer gemeinsamen globalen Linie und Zusammenarbeit kann dieses Denken eigentlich nur scheitern und Europa bestünde nur noch auf dem Papier.

Einige sagen auch, lass die „Rechten“ mal machen, die werden schon sehen. Doch das kann ja auch kein Ansatz sein! Es würde schlichtweg zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Klar ist aus dem Wahlergebnis herauszulesen, dass die Leute sich nach starker Politik, klaren Entscheidungen und Führung sehnen. Das müssen sich die etablierten Parteien auf die Fahnen schreiben und auch liefern. Sei es an der Haustür oder auch im Internet.

Klar ist auch, dass das nur gemeinsam und nicht in einem dauerschwelenden Streit geht. Sonst sieht die Zukunft für Europa nicht besonders rosig aus. Auch nicht für die Kommunen vor der eigenen Haustür.