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- Story von Thomas Müller
Warum fühlen sich Pirmasenser nicht mehr sicher?
Zahlen und subjektives Empfinden prallen aufeinander
Schlägerei, Festnahme, Mann mit Machete – immer wieder gibt es im Polizeibericht solche Meldungen, auch bei uns. Die Politik versucht zu reagieren, spricht von einem „subjektiven Unsicherheitsgefühl“, das die Menschen derzeit umtreibt. Doch warum ist das so?
Zugegeben, das Stadtbild hat sich auch in Pirmasens in den vergangenen Jahren sichtlich geändert. Läuft man vom Exe durch die Fußgängerzone zum Schlossplatz, hört man oft nicht nur pfälzischen Dialekt, sondern auch fremd klingende Sprachen. Bedingt durch die Flüchtlingskrise sind viele Fremde auch hierhergekommen, die Stadt ist an ihrer Belastungsgrenze, was die Integration angeht. Auch deshalb hat Pirmasens eine Zuzugssperre beantragt.
Fragt man die Menschen in der Stadt, so ist das Sicherheitsgefühl nicht zuletzt deshalb in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Unter vorgehaltener Hand beschweren sich viele, dass sie sich mittlerweile fremd in der eigenen Stadt fühlen. Die Meisten wollen aber ihren Namen nicht verraten, ein Foto machen ohnehin nicht.
Eine die kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Steffi Vetrano. Sie arbeitet in Petras Modeshop direkt am Schlossplatz, bekommt also das tägliche Treiben in der Innenstadt hautnah mit. „Als Frau fühle ich mich hier schon lange nicht mehr sicher“, sagt sie. Gerade in der Winterzeit, wenn es früher dunkel wird, spielt die Angst mit. „Was bringt es mir, wenn die Polizei hier morgens um 11 Uhr kontrolliert, abends wenn ich den Laden zuschließe, aber niemand da ist?“, fragt sie. Sie wünscht sich mehr Kontrollen von Ordnungsamt und Polizei. „Ich habe schon Diebstahl und Messerstechereien hier erlebt“, berichtet sie. Die Lage würde sich auch aufs Geschäft auswirken. „Früher war es eine schöne Stadt, der Samstag war einer der besten Tage, die Fußgängerzone proppenvoll“, erinnert sie sich. Das sei heut leider nicht mehr so.
„Als Frau allein in den Abendstunden hätte ich schon ein mulmiges Gefühl“, sagt Judith Ertel. Sie ist mit ihrem Partner Martin Turn in der Innenstadt, aber nicht mehr so oft wie früher. „Schade ist vor allem, dass es immer weniger Einheimische Geschäfte gibt“, sagt sie. Bedroht worden sei sie persönlich aber noch nie. Insgesamt fühle man sich im Vergleich zu früher etwas fremd, wenn man durch die Stadt läuft. Das habe vor allem mit der Migration zu tun. „Die Stadt ist definitiv am Limit, was das angeht“, sagt Ertel.
Mit der Meinung steht sie nicht alleine da, wie schon erwähnt. Auch Nadja Decker macht sich Sorgen um ihre Heimatstadt. „Wenn ich abends von der Arbeit raus gehe, habe ich echt teilweise ein komisches Gefühl“, sagt die Frau, die bei der Volksbank arbeitet. Woanders sei es zwar schlimmer und sie sei auch noch nicht wirklich bedroht worden, aber das Gefühl ist einfach da. Schlimm sei es vor allem, wenn alle über einen Kamm geschert werden. „Mein Vater ist Algerier, aber in Deutschland geboren, selbst der wird ab und zu schief angeschaut“, sagt sie. Problematisch sieht sie auch den Zuzug aus dem Ostblock. „Wir müssen es dringend schaffen, wieder ein Gleichgewicht herzustellen“, sagt sie.
Gegen die viel diskutierte Videoüberwachung in der Stadt hätten übrigens alle Befragten nichts auszusetzen. Die ist aufgrund der momentanen Gesetzeslage allerdings wohl kaum umsetzbar. Das weiß auch Sicherheitsdezernent und der städtische Beigeordnete Denis Clauer. „Bei dem Thema Kamera hätten uns die meisten vor fünf Jahren noch gefragt, ob wir sie noch alle haben“, sagt er im psst!-Gespräch. Die Zeiten hätten sich allerdings gewandelt. „Wir haben sehr viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung, was das Thema Sicherheit angeht, deshalb ist es unsere Aufgabe, auch darauf einzugehen.” Er selbst hätte nichts gegen Kameras an bestimmten Orten. „Das muss zum einen aber rechtlich auf sicheren Füßen stehen, zum anderen muss man sich die Ausgestaltung anschauen“, sagt der ehemalige Polizeibeamte. Denkbar wäre eine Aufzeichnung, um beim Bedarfsfall das Videomaterial auswerten zu können. Das würde zumindest weniger vom eh schon knappen Personal kosten.
Von städtischer Seite aus werde auch viel unternommen, allein im Vollzugsdienst sind immer sieben Mitarbeiter unterwegs. Auch in Abstimmung mit der Polizei würden viele Kontrollen durchgeführt. Wichtig sei es dabei, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, meint Clauer. Eine Art City-Wache würde seiner Ansicht nach nichts bringen. „Ich persönlich fühle mich sicher, kann aber die Ängste der Leute nachvollziehen“, meint er. War es vor drei, vier Jahren vielleicht noch das Thema Sauberkeit, dass die Leute umtreibt, ist es nun eben das Sicherheitsgefühl. Was er nicht versteht, ist, dass es keine belegbaren Zahlen für einen Kriminalitätsanstieg in Pirmasens gibt.
Deshalb haben wir natürlich auch bei der Polizei nachgefragt. Die hat in Pirmasens im vergangenen Jahr insgesamt 3619 Straftaten registriert, ein Jahr zuvor waren es noch 3625. Damit bewegt sich die Anzahl der registrierten Delikte auf Vor-Corona-Niveau (3517 Taten). Beachtlich ist die Aufklärungsquote mit 75,6 %. Damit liegt die Polizei Pirmasens über dem Durchschnitt des Polizeipräsidiums Westpfalz und über dem Landesschnitt.
Als Indikator für die Sicherheitslage eignet sich die Entwicklung der Straßenkriminalität. Dabei handelt es sich um eine Summe verschiedener sozialschädlicher Delikte im öffentlichen Raum, zu denen etwa die Körperverletzungen, Sachbeschädigungen oder Raubüberfälle auf Straßen, Wegen oder Plätzen sowie verschiedene Diebstahlsdelikte zählen. Zwar sind die Fallzahlen der Straßenkriminalität im vergangenen Jahr zum Vorjahresvergleichszeitraum von 510 auf 593 gestiegen, sie liegen jedoch unter dem Vor-Corona-Niveau. Als Grund für die Steigerungen im Bereich der Straßenkriminalität vermutet die Polizei eine Raubserie sowie eine Serie von Sachbeschädigungen durch Graffiti in 2023. Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen und Bemühungen gelang es jeweils die Täter zu ermitteln und die Serien aufzuklären. Für das Jahr 2024 zeichnet sich im Übrigen bei gleichbleibender Entwicklung ein rückläufiger Trend der Straßenkriminalität ab.
Wegen der Vorfälle am Exe gründete die Polizei eine Ermittlungsgruppe
Im Bereich der gefährlichen und schweren Körperverletzungsdelikte auf Straßen, Wegen oder Plätzen als „Teilmenge“ der Straßenkriminalität sind die Fallzahlen in 2023 von 58 auf 65 gestiegen. Im Jahr 2019 und damit vor den weitgehenden Corona-Beschränkungen waren es noch 73 Taten. Viele werden sich erinnern, dass es vor allem am Exe oft rund ging und es Streitigkeiten innerhalb bestimmter Gruppen gab. Auch eine Machete sorgte für Aufsehen in der Bevölkerung. Deshalb hatte die Polizei eine eigene Einsatzgruppe Exe gegründet. „Zwischenzeitlich hat sich die Lage rund um den Exerzierplatz beruhigt. Die abgestimmten Maßnahmen der verschiedenen Behörden und Ämter, samt der hohen Präsenz von Polizei und Ordnungsamt, haben eine Wirkung erzielt und hier werden wir weiter am Ball bleiben“, sagt ein Polizeisprecher.
Die Fallzahlen der sexuellen Belästigung, welche sich regelmäßig auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen auswirken und damit als weiterer Indikator dienen, sind durchweg auf einem sehr niedrigen Niveau und die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer sexuellen Belästigung zu werden ist gering. Die Jahreszahlen bewegen sich zwischen sieben bis elf registrierten Fällen. Der Begriff „häusliche Gewalt“ beinhaltet alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt. Häusliche Gewalt liegt vor, wenn die Gewalt zwischen Personen stattfindet, die in einer familiären oder partnerschaftlichen Beziehung zusammenwohnen. Hier liegen die Fallzahlen im Mehrjahresvergleich auf gleichbleibendem Niveau. So registrierte die Polizei im Jahr 2023 194 und im Jahr 2022 184 Fälle der häuslichen Gewalt.
Den größten Anstieg in der Statistik haben Rauschgiftdelikte
Der einzige Punkt, bei dem eine deutliche Steigerung zu verzeichnen ist, sind die Rauschgiftdelikte. Stellte die Polizei in 2019 noch 207 Delikte dieser Art fest, waren es in 2023 bereits 481. Auch eine mögliche Erklärung: Wo mehr kontrolliert wird, wird auch mehr gefunden.
Es zeigt sich also rein von der Statistik her, dass Pirmasens keinesfalls unsicherer geworden ist. Jedoch kommt das subjektive Gefühl der Menschen natürlich nicht von ungefähr. Daran gilt es auch in der nahen Zukunft zu arbeiten. Vor allem die Themen Migration und Integration werden dabei eine führende Rolle spielen, damit sich die Menschen in Pirmasens sicher und nicht weiter fremd in der eigenen Stadt fühlen.
Das dürfte mit viel Arbeit verbunden sein, allerdings ist auch jeder gefordert.
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