Beitrag
Horizontal, Nachkriegszeit

„Die Obusse fahren!“ – Von 1941 bis 1967 verkehrten in Pirmasens Oberleitungsbusse

von Oliver Siebisch • Titelfoto: Stadtwerke Pirmasens

Vom technischen Fortschritt schienen die Verantwortlichen im Pirmasens vor über 80 Jahren klare Vorstellungen zu haben. Die seit 1905 vom Bahnhof zum Krankenhaus verkehrende Straßenbahn sei, wie ein lokaler Zeitungsartikel im November 1941 propagierte, „gegenüber den immer mehr zunehmenden Kraftfahrzeugen in ihrem Ansehen“ zurückgefallen und sogar zum „Verkehrshindernis“ geworden. Daher müsse nun „das Gute ganz zu recht dem Besseren“ weichen. Darunter verstand man offenkundig die Einrichtung von sogenannten „Obussen“, also Bussen, deren Antrieb durch eine elektrische Oberleitung gespeist wurde. Die Aufnahme des Betriebs war bereits für das Jahr 1939 vorgesehen gewesen, doch der Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte zu einer Verzögerung von zwei Jahren geführt. 

Die Straßenbahn verschwindet

Im Oktober 1941 aber vermeldete das Parteiorgan „NSZ-Westmark“ (Nationalsozialistische Zeitung), dass in Pirmasens eine „Verkehrsverbesserung“ stattfinden und der „Obus-Verkehr zwischen Hauptbahnhof und Stadtbad“ eingerichtet werde. Der Nostalgie der Pirmasenser, die womöglich angesichts der immer näher rückenden, stückweisen Außerbetriebnahme der Straßenbahn entstehen mochte, suchte die gleichgeschaltete Presse durch letzte Lobesworte entgegenzuwirken: Es ist die Rede von „unserer alten Straßenbahn, die 36 Jahre lang treu und brav ihre Pflicht erfüllt hat“.

Ein “Obus” im Pirmasenser Stadtbild Foto: Stadtwerke Pirmasens

„Die Obusse fahren!“ war dann im November 1941 der Presse zu entnehmen. Voller Stolz wurde auf die „erste Obus-Linie in Südwestdeutschland“ hingewiesen, welche vom Stadtbad über den Exerzierplatz bis zum Wasserturm verlief. Nun müsse man von der „Funkenschees“, wie die Pirmasenser ihre Straßenbahn liebevoll nannten, Abschied nehmen. Der Obusverkehr werde „sicherer und besser als früher die Straßenbahn“ die Beförderung garantieren. Die Pirmasenser, so heißt es zuversichtlich, „werden bestimmt zufrieden sein.“ Für die Stromversorgung der neuen Fahrzeuge sei die Straßenbahnoberleitung durch „zweimal und doppelt durch den Hauptstraßenzug laufende Leitungen“ ersetzt worden. Bei einem Festakt „in der Aula der Schuhfachschule“ sprach Oberbürgermeister Emil Gauer über den „bedeutungsvollen Vorgang“. Der „Verbundbetrieb“ mit Obussen und Dieselomnibussen werde, wie er ausführte, auch in sozialer Hinsicht segensreich wirken, weil dadurch gerade im Berufsverkehr Einwohner am Stadtrand besser einbezogen würden. Eine Selbstversorgung mit Strom durch die Stadt wirke sich vor dem Hintergrund des kriegsbedingten Treibstoffmangels günstig aus.      

Foto: Stadtwerke Pirmasens

Mitte des Jahres 1943 erteilte der „Reichsstatthalter in der Westmark“ – ein Vertreter der Nazi-Diktatur vor Ort – schließlich seine Zustimmung zur Stilllegung der verbliebenen Straßenbahnstrecke vom Exerzierplatz zum Hauptbahnhof. Bis zur Aufnahme des „Obusbetriebes“ genehmigte er den Einsatz von inzwischen auf Leuchtgasbetrieb umgestellten Omnibussen. Er sei zudem „mit den eingerichteten Haltestellen und dem Fahrpreis“ von 10 Reichspfennigen einverstanden. Wenig später wurde der Obusbetrieb zum Hauptbahnhof wirklich aufgenommen. Mit drei Fahrzeugen, von denen eines lediglich zu Stoßzeiten eingesetzt wurde, musste der gesamte Linienverkehr bestritten werden. Erst gegen Jahresende 1943 gelangten drei weitere Obusse in Pirmasens zum Einsatz. Sie waren in Italien beschlagnahmt worden.             

“Obusse” auch in der Nachkriegszeit

Durch die schweren Luftangriffe auf Pirmasens gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kamen auch die Obusse zum Erliegen. Erst 1948 kann der diesmal etwas spöttischen Presse entnommen werden, dass Pirmasens momentan „kein öffentliches Verkehrsmittel“ besitze, und man „eine gute Lunge und ein noch besseres Herz besitzen muß, um Höhen und Täler dieser Bergstadt zu überwinden.“ Die Stadtverwaltung entschied sich erneut für eine Inbetriebnahme von Obussen, die dann noch bis 1967 verkehrten. Heute sind in Pirmasens wieder reguläre Busse anzutreffen. Wie zahlreiche Zeitungsartikel beweisen, gilt der nostalgische Rückblick vor allem der Straßenbahn. Dabei sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass die „Obusse“ einen wichtigen Teil der Pirmasenser Verkehrsgeschichte ausmachen.