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„Eine große Familie“

von Oliver Siebisch • Titelfoto: Oliver Siebisch

Auf Zeitreise beim Mittelaltermarkt in Pirmasens

Es klirren die Schwerter, Schilde und Kettenhemden. Lanzen recken sich empor, farbenprächtig leuchten die nicht selten mit Kreuzen versehenen Gewänder in der Sonne. Von etwas weiter her klingt der Hammer einer Schmiede, es riecht auch nach Gegrilltem. Zahlreiche freudige Stimmen durchziehen das Gelände. Mannigfaltig ist der Appell an die Sinne. Ein Karussell dreht seine Runden, die Musik spielt auf. Dass all dies an längst vergangene Jahrhunderte erinnert, ist natürlich kein Zufall. Wir befinden uns nämlich am Samstag zur frühen Nachmittagsstunde auf dem Pirmasenser Mittelaltermarkt im Strecktal, möchten einmal eine Zeitreise wagen.

Beim ehrbaren Schmiedehandwerk. Foto: Oliver Siebisch

Nachdem man den Rittern und dem Tross einige Meter gefolgt ist, kommt man vor einem erhöhten Zelt in einem Halbrund zum Stehen. Der Herold ergreift das Wort. Auf ihn folgt Beigeordnete Denis Clauer. „Wir haben“, sagt er, „seit Jahren keinen Mittelaltermarkt in Pirmasens gehabt. Bei den Landgrafentagen“ sei die Idee aufgekommen, einen solchen erneut zu organisieren – diesmal in der Innenstadt. „Ich glaube“, freut sich Clauer schon bei der Eröffnung, „es hat sich gelohnt.“

“Unikate, Kunst und Allerlei” von Schneiderin Westermeyer. Foto: Oliver Siebisch

Das finden wir auch, gehen ein Stück weiter und kommen rasch ins Gespräch. Etwa mit Alexandra Westermeyer, welche die Schneiderei „Hexenstich“ betreibt, in der, wie leicht zu erkennen ist, mittelalterliche Gewänder entstehen. „Ich bin“, erklärt sie, „gelernte Damenschneiderin und genieße das Draußenleben.“ Westermeyer näht „die gesamten Gewandungen und Accessoires“ in einer Kombination aus historischem Vorbild und Fantasie, denn damals hätten keine Schnitte existiert. Sie möge das Abtauchen in eine andere Welt. Immer wieder begegne man sich auf den Märkten und habe sehr nette Kollegen. Der Veranstalter achte darauf, dass man gut miteinander umgehe und alles friedlich bleibe. Die in der Szene mitunter auftauchende „Ellbogengesellschaft“ sieht Westermeyer hier völlig absent.

Vor der “Feldbäckerey”. Foto: Oliver Siebisch

Weiter geht es zur „Feldbäckerey“, im Mittelalter eigentlich bestimmt zur Versorgung der Truppen. Dort sitzen in geselliger Runde mehrere Personen beisammen. Feldbäcker Harry Schweißhelm ist darunter, der sein Unternehmen vor bald 35 Jahren gegründet hat. „Ich habe“, so erzählt er, „eine ganz normale Bäckerei gehabt.“ Durch Zufall sei damals in seiner Heimat ein Mittelaltermarkt abgehalten worden. Dort habe sich der Veranstalter an ihn gewandt, da auf dem Markt noch ein Bäcker fehlte. Seine Spezialität heutzutage ist das Kräuterbrot. Die Rezepte werden zeitgemäß adaptiert, da die Qualität des jetztzeitigen Mehls besser sei als diejenige vor neunhundert Jahren.

Harlekin Markus. Foto: Oliver Siebisch

Ihm zur Seite befindet sich ein Harlekin mit dem bürgerlichen Vornamen Markus, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Bogen- und Armbrustschießen, Drachenjagd und Mäuseroulette befinden sich unter anderem in seinem Repertoire: „Wir sind hier für die kleine Generation zuständig, aber den Großen macht das auch Spaß.“ Bei den Mittelaltermärkten handle es sich um eine große Familie, man sehe sich eigentlich an jedem Wochenende – auch deutschlandweit. Sie seien inzwischen ein ganz normales Geschäftsmodell geworden. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung des Mittelalters vom 11. bis zum späten 13. Jahrhundert. Man müsse nicht die Gesamtepoche kennen, vielmehr intensiv das Stück, das man verkörpert, „aber das soll sitzen.“

Auch an Musik fehlt es nicht. Foto: Oliver Siebisch

Ehe wir uns verabschieden, lächelt der Harlekin noch in unsere Kamera. Erneut sind Klänge zu hören. Musiker spielen lebendige Weisen. Sie verharren nicht etwa auf der Stelle, sondern gehen auf die Besucher des Marktes regelrecht zu. Auf zahlreiche Pirmasenser und Besucher von außerhalb wird die gebotene Zeitreise durchaus „ergötzlich“ gewirkt haben.