- Beiträge
- Hotspot für die Mission „Lesen für alle“

Hotspot für die Mission „Lesen für alle“
von psst!-RedaktionAnlässlich des Welttags des Buches erscheint dieser Beitrag ganz bewusst heute, am 23. April. Seit 1995 wird der von der UNESCO ausgerufene Aktionstag international gefeiert – als Symbol für die Bedeutung des Lesens, der Bücher und der Rechte von Autorinnen und Autoren. Mit dem Blick auf über 120 Jahre Stadtbücherei Pirmasens und ihre vielseitige Entwicklung möchten wir an diesem Tag ein Zeichen setzen für den Zugang zu Literatur und Bildung für alle – ganz im Sinne der ursprünglichen Mission „Lesen für alle“.
Anno 1901 – vier Jahre vor der ersten Fahrt der Pirmasenser Trambahn „die Elektrisch“ – wurde unsere Stadtbücherei gegründet; damit gehört sie landesweit zu den ältesten. Gestartet mit nur 300 Bänden, umfassen heute die Bestände von Belletristik und Sachliteratur über 45.000 Bücher, die Kinder- und Jugendliteratur zählt an die 30.000 Bände. Aber die Stadtbücherei hat weitaus mehr zu bieten, wie Leiterin Ulrike Weil im Gespräch berichtet.
Redaktion: Frau Weil, warum gibt es denn überhaupt Stadtbüchereien?
Ulrike Weil: Die Idee ist recht früh entstanden und reicht zurück bis Ende des 18. Jahrhunderts. Immer mehr Menschen wollten mit dem Aufkommen der Schulpflicht lesen, andererseits waren die damals noch recht teuren Bücher fürs breite Volk nicht erschwinglich. Öffentliche Büchereien und Bibliotheken haben diese Lücke mit ihren kostenlosen Angeboten geschlossen. Jeder kann sie nutzen, völlig unabhängig etwa von Herkunft und Milieu, Bildungsstand oder Geschlecht.
Redaktion: Wie darf man sich die Anfänge unserer Stadtbücherei denn vorstellen?
Ulrike Weil: Als der Lehrer Ludwig Schwinn 1901 die „Volksbibliothek“ in Pirmasens eröffnete, regierte noch Kaiser Wilhelm II. und an einen Weltkrieg dachte auch noch niemand. Die Schuhstadt Pirmasens ist Anfang des 20. Jahrhunderts stark gewachsen – von unter 10.000 auf über 30.000 Einwohner. Im Schatten von Wachstum der Stadtbevölkerung und wirtschaftlichem Aufschwung gab es an einem Ort beides: Reichtum bei den Unternehmen und ärmliche Verhältnisse der Arbeiterschaft.
Lesen war damals ein Privileg und zwar nicht nur, weil es nicht jeder beherrschte, sondern weil die vergleichsweise wenigen Bücher auch teuer waren; die Zeitung war insofern das zugänglichere Medium. Vor diesem Hintergrund haben landauf, landab aufkommende Stadtbüchereien wie die unsrige die Mission „Lesen für alle“ beflügelt.
Redaktion: War die Stadtbücherei schon immer an gleicher Stelle verortet?
Ulrike Weil: Nein, mit ihrem Anfangsbestand von rund 300 Bänden eröffnete die Volksbücherei im Exerzierplatzschulhaus, dem heutigen Rathaus. Ein halbes Jahr später gab es schon mehr als 1.000 Bücher für über 1.200 verzeichnete Leser. Über die Jahrzehnte hinweg sollte dann der Standort mehrfach wechseln und im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadtbücherei völlig zerstört.
Seit 1957/58 ist sie im Messehochhaus an der Dankelsbachstraße untergebracht, gemeinsam mit der bis dahin separat angesiedelten „Jugend-Freihandbücherei“, die 1953 landesweit als erste ihrer Art eingerichtet worden war. Mittlerweile gibt es zudem ein Netz von Zweigstellen mit den Schulbüchereien auf dem Kirchberg und der Ruhbank sowie in Gersbach und Winzeln.
Weil es am Messehochhaus zu eng geworden ist, halten wir Ausschau nach einem neuen Zuhause. Voraussichtlich ziehen wir in die nahe Höfelsgasse, wo unser aktueller Vermieter Bauhilfe einen Neubau plant.
Redaktion: Welche Leistungen bietet die Stadtbücherei an?
Ulrike Weil: Nach wie vor dreht sich vieles ums gedruckte Buch: Von den rund 95.000 Titeln in der Hauptstelle und den Zweigstellen sind alleine 75.000 Bücher verschiedener Genres. Der Rest verteilt sich auf Ton- und Filmmedien aller Art. Das meiste davon kann man ausleihen, nur ein kleiner Teil befindet sich im Archiv – dort schlummern unter anderem Kleinode wie Goethes „Sophienausgabe“ aus dem Jahr 1901, die geben wir natürlich nicht raus.
Redaktion: Und wie sieht es aus mit E-Books & Co.? Kann man über die Stadtbücherei denn Bücher auch online lesen?
Ulrike Weil: Ja, tatsächlich erfreuen sich Online- und Streaming-Formate immer größerer Beliebtheit. Die Stadtbücherei bietet über das Landesbibliothekszentrum Online-Zugänge zu den entsprechenden Angeboten, um online Bücher zu lesen, Hörbücher zu hören oder auch Filme zu sehen. Dazu gehört seit 2010 der Onleihe-Verbund, dem heute Rheinland-Pfalz-weit über 80 Bibliotheken angeschlossen sind – Pirmasens zählte unter ihnen zu den ersten acht – und seit 2021 ein englischsprachiges Angebot namens OverDrive sowie filmfriend und freegalmusic. Statt der im Buchverleih üblichen Rückgabefristen gibt es hier jeweils beschränkte Zugangszeiten.
Redaktion: Was muss man tun, um die Angebote zu nutzen?
Ulrike Weil: Zunächst mal: Die Stadtbücherei steht jedem offen, wir halten uns da auch an keine harten Stadtgrenzen. Bei Bibliotheken handelt es sich um freiwillige Leistungen der Kommunen und die Angebote stehen annähernd kostenlos zur Verfügung. Lediglich für die Jahrespauschale sind 15 Euro zu entrichten – davon ausgenommen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Auszubildende und Studenten; alternativ zur Jahresgebühr kostet ein Einzelausleihvorgang 1,50 Euro. Die Online- und Streaming-Angebote sind hingegen in der Jahrespauschale komplett eingeschlossen.

Redaktion: Wie findet man denn die gesuchten Titel? Gibt es noch die schrankgroßen Zettelkästen mit den Karteikärtchen?
Ulrike Weil: Die Zeiten sind längst vorbei, die haben wir schon vor über 20 Jahren entsorgt. Und die Ausleihe läuft seit 2001 digital. Seit 2011 kann man den Bestand ortsunabhängig über einen Web-OPAC – das steht für Online Public Access Catalogue – im Internet recherchieren und vorbestellen. Wenn wir das gewünschte Buch nicht haben, können wir bis zu 85 Prozent aller faktisch möglichen über die Fernleihe besorgen. Das kostet für jeden Titel inklusive der Bearbeitung und dem Zurückschicken des Buchs gerade mal 2 Euro.
Redaktion: Plaudern Sie doch mal aus dem Nähkästchen: Welche Bücher werden denn am meisten ausgeliehen in Pirmasens?
Ulrike Weil: Also bei den Erwachsenen stehen ganz generell Krimis und Thriller hoch im Kurs, die Jüngeren greifen recht gern bei den Bänden der Gregs-Tagebuch-Reihe zu.
Redaktion: Und wie schaut‘s aus mit Veranstaltungen rund um Bücher und Lesen?
Ulrike Weil: Da sprechen Sie echte Pfunde an, mit denen wir in Pirmasens wuchern können. Wichtig sind uns gerade die Leseförderprojekte in der Kinderbücherei und gemeinsame Veranstaltungen mit Kitas und Schulen, um den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln und ihnen einen guten Lese-Start ins Leben zu ermöglichen – ich denke da vor allem an die sehr beliebten Lese- und Vorlesesommer. Hinzu kommen Bastel- und Vorlesenachmittage, Klassenführungen, Ausstellungen, Büchertische oder auch der Bibliotheksführerschein. Aber auch die Erwachsenen kommen natürlich nicht zu kurz: Im Carolinensaal veranstalten wir so gut wie übers ganze Jahr hinweg attraktive Lesungen und musikalische Darbietungen.
Redaktion: Was steht den aktuell an?
Ulrike Weil: Gerade an den Start gegangen ist die „Bibliothek der Dinge“: Die Stadtbücherei verleiht jetzt auch allerlei praktische Alltagsgegenstände aus Technik, Haushalt, Handwerk, Spiel, Sport und Musik – knapp 50 an der Zahl. Das Angebot reicht vom Plattenspieler über den Akkuschrauber bis hin zu Nordic-Walking-Stöcken. Maximal zwei Gegenstände können gleichzeitig für drei Wochen ausgeliehen werden.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Weil.

Ulrike Weil, Jahrgang 1966, hat an der Fachhochschule für Bibliothekswesen in Stuttgart Bibliothekswesen studiert (1985-88), seit 1988 arbeitet sie bei der Stadtverwaltung Pirmasens und war dort zunächst für die Kinderbücherei zuständig. Seit 2000 leitet sie nach zuvor kommissarischer Funktion die Stadtbücherei.
Du willst mehr News aus Pirmasens? Abonniere jetzt kostenlos den Newsletter und erhalte die neusten Nachrichten aus der Stadt bequem ins Mail-Postfach. Einfach hier klicken: