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„In Pirmasens gibt es eine große Hilfsbereitschaft“
von Oliver Siebisch • Titelfoto: Oliver SiebischInterview mit St.-Pirmin-Pfarrer Johannes Pioth
Aus dem oberen Stockwerk des katholischen Pfarramts St. Pirmin in Pirmasens hört man ein leichtes Räuspern, es folgen Schritte auf der Treppe. Kurz darauf betritt Pfarrer Johannes Pioth einen Büroraum im Parterre, in dem wir für psst! Pirmasenser Storys bereits auf ihn warten. Nachdem wir zuletzt mit seinem evangelischen Kollegen Wolfdietrich Rasp gesprochen haben, wollen wir nun mit Johannes Pioth die persönliche katholische Perspektive auf den Glauben, die Gemeinde und die Stadt erkunden.[1] Zunächst aber richten wir auch an ihn die Frage:
Möchten Sie sich unseren Leserinnen und Lesern kurz vorstellen?
Ich wurde in Landau geboren. Meine Eltern haben mich gläubig erzogen, und ich bin in einem dörflich-katholischen Milieu aufgewachsen. Für mich war Glauben, Kirche etwas ganz Selbstverständliches. In der Gemeinde habe ich Menschen erlebt, von denen ich erfahren habe, was es heißt, gläubig zu sein, was christliches Leben ist. Beim Besuch des altsprachlichen Gymnasiums hat schon der Gedanke mitgespielt, Priester zu werden. Für mich war es immer wichtig, Alternativen zu haben: Gegenüber fachlichen Interessen, wie etwa den Naturwissenschaften, hat sich dann aber gezeigt, dass der Wunsch, Priester zu werden, stärker war. Die Universität und das Priesterseminar habe ich in Eichstätt besucht. Nach Stationen in Rom und Speyer bin ich 1995 zum Prieser geweiht worden. Ich hatte meine erste Pfarrstelle in Martinshöhe, war zeitweise Leiter des Priesterseminars in Speyer. Dann hat mich im Jahr 2009 der Bischof nach Pirmasens geschickt. Seitdem bin ich hier Pfarrer.
Vieles im Glaubensleben hat sich innerhalb der letzten Jahrzehnte gewandelt. Wie ist die Ausgangslage heute – gerade in Pirmasens?
Kirche spielt in einer konfessionell unterschiedlich geprägten Stadt wie Pirmasens, auch bedingt durch ihre soziale Struktur und ihre Geschichte innerhalb der letzten 30 Jahre, keine große Rolle mehr. Glaubensweitergabe muss heute nicht nur in der Institution Kirche, sondern auch im familiären Bereich stattfinden. Doch die Glaubensweitergabe in der Familie ist schwieriger geworden, und natürlich gibt es neben der „Katechese des Glaubens“ auch die „Katechese der Welt“.
Die Individualisierung führt dazu, dass man – wie manche sagen – heute in den „Supermarkt des Glaubens“ geht, seinen Glauben bruchstückhaft gestaltet. Doch wir als Kirche bieten eigentlich das Gegenteil der Individualisierung an: Gemeinschaft und Weggemeinschaft. Dabei kann die christliche Sozialethik und Gesellschaftslehre heute für die Gesellschaft in sozialen, politischen und ökonomischen Fragen einen wichtigen Beitrag leisten und auch säkulare Kreise ansprechen.
Wie ist es um die soziale Komponente der Kirche vor Ort bestellt?
In der Tradition unseres Patrons Paul Josef Nardini, eines in Pirmasens tätigen Pfarrers und Sozialreformers, dem aus der Betrachtung, dass Glaubensnot und soziale Not miteinander in Verbindung stehen, gerade die Glaubensweitergabe wichtig war, sehen wir unsere Aufgabe als Pfarrei auch heute darin, den Glauben weiterzugeben und sozial engagiert zu sein. Was mir in Pirmasens konkret auffällt, ist, dass sowohl kirchlicherseits, als auch von kommunaler Seite und nichtkirchlichem ehrenamtlichen Engagement eine große Offenheit für soziale Fragen da ist. Und es gibt in der Stadt ein gutes Netzwerk, den „Pakt für Pirmasens“, das versucht, alles, was unterschiedliche Vereine, Gruppierungen und auch Kirchen im Bereich Kinder- und Jugendarbeit tun, zu vernetzen.
In Pirmasens gibt es eine große Hilfsbereitschaft. Ein Beispiel dafür ist die inzwischen auch ökumenisch organisierte „Wunschpäckchenaktion“ vor Weihnachten: Wir arbeiten mit den Schulen zusammen, so dass Jugendliche spendenfinanzierte Weihnachtspakte für Kinder packen, deren Eltern sich kein Weihnachtsgeschenk leisten können. Positiv überrascht war ich auch über das Eintreten der Pirmasenser für die Familienbildungsstätte und die Kooperation von Caritas und Stadt in Fragen der Quartiersarbeit.
Pirmasens hat kürzlich gewählt. Was könnte und sollte nun geschehen?
Ich würde mir wünschen, dass die Zusammenarbeit von Kirche und Stadt so gut wie bisher weitergeht. Besonders wichtig ist der eben schon thematisierte soziale Bereich: Wir haben durchaus Berührungspunkte in unseren kirchlichen Einrichtungen, wie dem katholischen und dem ökumenischen Kindergarten, dem Nardinihaus, als Institution für Kinder- und Jugendhilfe, dem Altenheim St. Anton und einer für die Stadt wie auch für die Region bedeutsamen Stiftung für Menschen mit Behinderung. Parteipolitik möchte ich nicht betreiben. Was mir jedoch Sorge macht, ist das Erstarken der politischen Ränder, von nicht-demokratischen Parteien, die unser Staatsverständnis infrage stellen. Ich sehe darin eine Bedrohung, aber auch den Auftrag für Politik wie Kirche, sich mit den Erwartungen, den Lebensumständen und -geschichten der Wähler dieser Parteien auseinanderzusetzen. Wir als Kirche stehen für Demokratie ein, und ich hoffe, dass wir auf kommunaler Ebene mit der demokratischen Mitte bei den anstehenden Fragen zu einer guten Verständigung kommen werden.
[1] Das Gespräch wurde mit Zustimmung von Johannes Pioth für die Veröffentlichung leicht gekürzt.