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„In Rheinland-Pfalz einmalig“
von Oliver Siebisch • Titelfoto: Oliver SiebischGespräch mit der Pirmasenser Seniorenbeirats-Vorsitzenden Renate Vogl
Im „Haus Meinberg“ in der Adlerstraße hat der Seniorenbeirat der Stadt Pirmasens seinen Sitz. Dort ist psst! Pirmasenser Storys mit der langjährigen Vorsitzenden des Seniorenbeirats Renate Vogl verabredet. Mit Ablauf der jetzigen Wahlperiode wird sie nicht mehr als Vorsitzende für das Ehrenamt zur Verfügung stehen. Sie habe es, wie sie erklärt, stets gerne und mit hundertprozentigem Einsatz ausgeübt, könne ihm in der bisherigen Intensität aber nicht mehr gerecht werden.
Renate Vogl kann auf eine reiche Lebenserfahrung blicken. Die gelernte Gehilfin in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen ist seit 51 Jahren verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder. Wir sprechen mit ihr über die Lage der Senioren in Pirmasens, die Gegenwart sowie die Zukunft der Beiratsarbeit:
Der Pirmasenser Seniorenbeirat existiert schon 25 Jahre. Wie kann aus dem Erfahrungsschatz der Vergangenheit heraus die Arbeit der Zukunft gestaltet werden?
In der Landesseniorenvertretung gibt es kaum Einrichtungen, die so lange aktiv sind wie wir. Unsere Vernetzung mit dem Seniorenbüro und der Stadtspitze ist in Rheinland-Pfalz einmalig. Es soll ja jetzt ein neues Seniorenmitwirkungsgesetz geben. Dadurch soll geregelt werden, dass das Ehrenamt etwas entlastet wird. Als Laie weiß man mitunter gar nicht, wo man Mittel erhalten kann, um eine gute Arbeit zu leisten. Wenn man zukünftig eine Fachkraft hat, die sich in dem Metier auskennt, ist das etwas leichter.
Was erhoffen Sie sich von den anstehenden Neuwahlen?
Dass wir junge engagierte Senioren gewinnen, die auch aktiv etwas bewegen können und wollen. Denn es gibt viele, die würden das gerne machen, sind aber wegen körperlicher Einschränkungen dazu nicht in der Lage. Auch eine verstärkte Nutzung moderner Medien wäre sinnvoll. Dann können etwa unsere Einladungen und Mitteilungen das Mitglied schneller erreichen. Fortgesetzt werden sollte der sehr gute und enge Kontakt mit der Verwaltung. Man muss nicht immer einen Antrag stellen, manchmal reichen Telefonate.
Wie ist es um aktuelle Projekte bestellt?
Wir haben ein Dauerprojekt: mehr öffentliche Toiletten in Pirmasens. Aber wir bekommen seit Jahren zu hören, dass wir kein Geld dafür haben, dass wir eine arme Stadt sind. Andere Städte haben gezeigt, dass es andere Möglichkeiten gibt. Jetzt soll die Citymanagerin auf die Geschäftsleute zugehen und das Projekt „freundliche Toilette“ initiieren. Wenn jemand zur Toilette muss, ist das bisher ein Problem.
Rund 14.000 Pirmasenser sind über 60 Jahre alt. Gibt Chancen beim Älterwerden in der Stadt?
Manche älteren Herrschaften denken: Ich kriege die Hand aus der Sonne gelegt, das geht natürlich gar nicht. Ein bisschen Eigeninitiative muss schon dabei sein. Wir haben jetzt ein Projekt. Wir nennen es Stammtisch 60-plus für Senioren, die ein gleiches Interesse haben, die vielleicht gemeinsam ins Theater oder spazieren gehen, sich sportlich betätigen wollen. Aus dieser Gruppe heraus sollen Wünsche erwachsen, die dann auch größer angegangen werden können.
Wie ist die materielle Situation älterer Pirmasenser?
Wir haben in Pirmasens einen großen Kreis von Armen oder ärmeren Menschen. Viele Pirmasenser Paare haben in der Schuhindustrie gearbeitet, in der schlecht entlohnt wurde. Eine Frau, die 45 Jahre Vollzeit in der Schuhindustrie gearbeitet hat, verfügte vor ca. 4 Jahren über eine Rente von 740 €. Durch die zwischenzeitlich erfolgten Erhöhungen ist diese Rente natürlich wie alle anderen auch etwas angestiegen. Sie sagt: Wenn ich nicht verheiratet wäre, könnte ich nicht leben. So gibt es selten Menschen, die eine großzügige Rente haben. Wenn nicht noch ein anderes Polster existiert, läuft das nicht. Noch heute haben wir in Pirmasens ein relativ niedriges Lohnniveau.
Der Seniorenbeirat hat sich klar zum gegenwärtigen politischen Rechtsruck und dem Migrationsgeschehen positioniert …
Senioren oder ihre Eltern haben häufig noch Kriegserfahrung gemacht. Sie waren selbst auf der Flucht, mussten dort, wo sie ankamen, aber für Unterkunft und Essen arbeiten. Daher haben wir Verständnis für Flüchtlinge. Wir möchten aber, dass sie – wie das auch für gesunde, arbeitsfähige Einheimische der Fall sein sollte – durch Aufnahme gemeinnütziger oder regulärer Arbeit eine Gegenleistung erbringen. In Thüringen wurde das schon umgesetzt. Es ist doch auch für die Gemeinschaft von Pirmasens besser, wenn wir alle zusammenhalten. Das hilft auch der Integration und dem Verständnis. Daher sind wir auch an der Ansprache der Älteren mit Migrationshintergrund interessiert, zusammen mit dem Migrationsbeirat. Darum kümmert sich ein Mitglied von uns, eine inzwischen über 80-jährige türkischstämmige Frau.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft der Stadt?
Pirmasens ist eine kleine Stadt. Die Leute kennen sich meist noch untereinander. Neu hinzugekommene Leute kapseln sich aber verstärkt ab. Ich würde mir wünschen, dass es ein friedvolles Miteinander gibt und bleibt, dass man nicht das Eine gegen das Andere ausspielt und dass man die Ansicht des jeweils anderen versteht.