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„Schule ist mittlerweile ein Wirtschaftsbetrieb“
von Thomas Müller • Titelfoto: Thomas MüllerHoreb-Grundschuldirektorin Andrea Koch vor dem Schulstart
Die letzte Woche der Sommerferien läuft und nächste Woche beginnt auch für viele Grundschüler der Ernst des Lebens. 343 Erstklässler werden an den acht Pirmasenser Grundschulen eingeschult, das sind ein paar weniger als noch im Vorjahr (378). Doch liegen Lehrer und Rektoren während der Ferien nur auf der faulen Haut, wie manche meinen? Wir haben mit der Rektorin der Horeb-Grundschule, Andrea Koch, gesprochen.
Ständig klingelt das Telefon, ein Arbeiter hat gerade den Kanal überprüft und braucht eine Unterschrift, vor der Schule steht auch noch ein Bauzaun. „Über zu wenig Arbeit können wir uns beim besten Willen nicht beschweren“, sagt Koch. Seit zehn Jahren leitet ist sie mittlerweile die Horeb-Grundschule in der Herzogstraße. Nächste Woche werden laut Stadt wieder 71 Kinder in drei ersten Klassen auf dem Horeb dazukommen. „Da gilt es einiges zu planen und organisieren, das fängt bei Stundenplänen an und hört beim Mittagessen auf“, sagt Koch. Größtes Problem ist, für die Ganztagsschule Honorarkräfte und Lehrer für den Nachmittag zu finden. „Die Verträge müssen ja auch in und während der Ferien bearbeitet werden“, erklärt Koch. Schule sei mittlerweile ein Wirtschaftsbetrieb. Da kommt ihr ihre Ausbildung zugute, denn vor ihrem Studium und ihrer Lehrerinnen-Karriere hat sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht.

Doch gerade die Grundschule am Horeb hat noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: „Wir haben hier über 300 Kinder aus 37 Nationen, 95 Prozent haben einen Migrationshintergrund“, sagt Koch. Herausfordernd sei vor allem, dass viele Kinder mit wenigen oder sogar ohne Deutschkenntnisse in Schule kommen. „Unterricht, wie er vom Land eigentlich vorgegeben wird, ist hier kaum denkbar, wir müssen auf die Bedürfnisse individuell eingehen. Da muss auch mal von Seiten des Landes etwas passieren“, kritisiert Koch.
23 Lehrerinnen und Lehrer bilden das Kollegium, das sie leitet. Mittlerweile gibt es auch das Fach DAZ – Deutsch als Zweitsprache. Auch die Umbau- und Sanierungsarbeiten laufen am Horeb. Zwischenzeitlich waren ja Klassen der Landgraf-Ludwig-Realschule im Gebäude untergebracht, die nun wieder ausgezogen sind. In den freien Räumlichkeiten werden Mensa und Fachräume untergebracht. „Über 200 Schüler sind in der Ganztagsbetreuung“, sagt Koch. Das Mittagessen, das von der Heinrich-Kimmle-Stiftung als Caterer gebracht wird, wird in Etappen von 12 bis 14 Uhr gegessen. Betreut wird von 8 bis 16 Uhr.

„Wir müssen aufpassen, dass die Integration nicht gefährdet wird und uns die deutschen Kinder wegbrechen“, sagt Koch. Es gab auch schon Eltern, die zwar auf dem Horeb wohnen, ihre Kinder aber liebe in einer anderen Grundschule sehen. Für die Rektorin und ihre Lehrerinnen und Lehrer geht es mittlerweile oft bis zur Belastungsgrenze. „Man bekommt als Schule schnell einen Stempel, manche Eltern sagen, dass sie die Bildung ihrer Kinder gefährdet sehen und wollen sie lieber an eine andere Schule schicken“, gibt die 52-Jährige zu bedenken. Um bessere Arbeit zu leisten, wurde in der Vergangenheit unter anderem ein Informationstag zum Ramadan oder ein Tag speziell für die Ukrainer veranstaltet. „Die Resonanz war durchweg gut, wir müssen aufeinander zugehen“, sagt Koch.
Der Meinung ist auch die Konrektorin, Eva-Katharina Schulz. „Ich fühle mich hier zwar sehr wohl, aber es ist auch eine große Herausforderung“; sagt sie. Seit drei Jahren ist Schulz am Horeb, unterrichtet auch Sachunterricht. Ihre Forderung: „Der Bildungssektor muss wieder mehr in den Fokus gestellt werden, die Schule ist schließlich nicht nur eine Betreuung, sondern eine Investition in die Zukunft.“
Die Vorbereitungen für das neue Schuljahr sind aber so gut wie abgeschlossen. „Alles ist durchstrukturiert, der Stundenplan steht, die Termine wie zum Beispiel Bundesjugendspiele und Elternabende auch“, sagt Koch. Lediglich zwei Wochen wirklichen Urlaub hat sie sich gegönnt. „Das geht, weil wir ein gutes Team sind“, sagt sie.
Bleibt zu hoffen, dass das neue Schuljahr auch so gut läuft, wie geplant.