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Von Hexen, Hektik und Herzblut
von psst!-RedaktionText: Marlene Tappe
Mein Leben hinterm Tresen in Eddi‘s Kellerei
Hi, ich bin Marlene, 21 Jahre alt. Wenn du schon mal auf der Hexentour oder auch sonst in Eddies Kellerei in Pirmasens unterwegs warst, hast du mich vermutlich gesehen: hinterm Tresen am Zapfhahn, an der Kasse, mit einem echten Lächeln – auch nach Mitternacht. In der einen Hand das Tablett, in der anderen den Block mit der nächsten Bestellung. Ich bin nicht nur Kellnerin, sondern auch Lautsprecherin, Freundin, Stimmungsbarometer und manchmal einfach nur Zuhörerin. Ich bin Teil dieses wilden Herzschlags der Hexennacht – der noch schneller pocht, sobald das erste Bier fließt, der erste Akkord ertönt und die diesmal warme Abendsonne hinter dem Horizont verschwindet.
Ein paar Worte zu mir: Wie viele andere zog es mich nach dem Abitur erst einmal raus aus Pirmasens, rein in den Puls der Großstadt. Ich landete in Stuttgart, studierte Kommunikationswissenschaft. Drei Jahre war ich dort. Doch an fast jedem Wochenende kehrte ich zurück. Nicht nur nach Hause, sondern auch an den Tresen von Eddi‘s Kellerei. Freitags oder samstags stand ich hinter der Theke. Fast automatisch. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Verbundenheit. In der Großstadt erlebte ich viel, lernte einen anderen Rhythmus kennen. Aber je länger ich weg war, desto mehr zog es mich zurück. Zurück zu den Liebsten, den vertrauten Orten, den vertrauten Gesichtern und dem Gefühl, zu Hause zu sein und auch zurück in die Kellerei. Hier in Eddi‘s Kellerei kennt man mein Gesicht – nicht, weil ich laut bin, sondern weil ich bleibe, wenn es laut wird. Ich schlängle mich zwischen wackelnden Barhockern, vollen Tischen und halb getuschelten Geheimnissen hindurch, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Und ehrlich gesagt: Habe ich auch nicht.

Am 1. April 2022 stand ich zum ersten Mal hinter der Theke in Eddi’s Kellerei – frisch nach dem Abitur. Nicole Sänger, die Chefin; sprach mich damals bei meinem ehemaligen Nebenjob im Meyers Trendstore an. Eine Woche später trug ich die Kellerei-Schürze. Seitdem vergeht kein Wochenende ohne einen Einsatz in der Bar. Die Kellerei ist nicht nur ein Job. Ich habe dort eine zweite Familie gefunden. Diese Familie trägt viele Namen: Nicole, die gute Seele des Hauses – für mich nicht nur Chefin, sondern auch Freundin. Elias, unser Koch, der das Herz des Restaurants ist. Und das Team in der Kellerei: Maya, Janina, Dirk und Sarah – Menschen, mit denen das Restaurant lebt. Und natürlich Eddi selbst – der Mann, der diesem Ort nicht nur seinen Namen, sondern auch seinen Charakter verleiht. Was Eddi’s Kellerei ausmacht, lässt sich schwer beschreiben. Wer einmal durch die Tür tritt, spürt sofort, dass hier etwas anders ist. Vielleicht liegt es am warmen Licht. Vielleicht am alten Gewölbekeller. Vielleicht an den Geschichten, die sich wie vergessene Bierdeckel in den Ecken stapeln. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass hier Menschen zusammenkommen, wie sie sind – ehrlich, laut, manchmal chaotisch, aber immer echt.
Dabei habe ich in Eddi‘s Kellerei nicht nur gelernt, wie man drei Tabletts gleichzeitig balanciert, ohne jemanden in Bier zu tauchen. Auch wie man in einem Schritt den Zapfhahn bedient, eine Kartenzahlung durchführt und sich an einer Diskussion über Weinschorle süß oder sauer beteiligt. In den vergangenen drei Jahren stand ich fast jedes Wochenende hinter der Bar. Aus vielen Gästen wurden vertraute Gesichter – Menschen, die ich längst an der Stimme im Gang erkenne.
Die Hexentour ist allerdings keiner dieser normalen Abende. Sie ist Ausnahmezustand, Erlebnis und Abenteuer in einem – für die Gäste, aber auch für jeden von uns hinter der Bar. Die diesjährige Hexentour beginnt für mich um 18 Uhr auf der Terrasse in Eddi’s Kellerei mit dem letzten Kaffee des Tages in der Hand. Noch ist alles ruhig. Die Stühle stehen ordentlich, die Gläser glänzen, und für einen kurzen Moment liegt so etwas wie Vorfreude und Nervosität gleichzeitig in der Luft. Die Bierfässer sind angeschlossen, die Getränkekarten gesteckt und die Kühlschränke aufgefüllt. Es kann losgehen.

Kurz nach sieben trudeln in dieser letzten Aprilnacht die Gäste ein. Noch ruhig, noch mit Jacke und gelassener Stimmung. Die ersten Biere werden gezapft, die ersten Aperol Spritz ausgeschenkt und der Keller füllt sich. Ein buntes Publikum bevölkert die Bar, von den Youngsters bis hin zu den Männerstammtischen. Rein optisch betrachtet ein Sammelsurium vollkommen unterschiedlicher Menschen, die eins eint: Dieses orangefarbene Bändchen, das die ganze Stadt in dieser Nacht auf Trab halten wird. Die, die feiern, und uns. Wir halten den Laden am Laufen. An diesem Abend stehen wir zu fünft hinter der Bar: Eddi, Sarah, Janina, Daniel – und ich. Menschen, die sich monatelang nicht gesehen haben, treffen sich plötzlich wieder.
Kurz nach acht startet das Duo „PirmJam“ in der Kellerei – Andy Lübbert und Stefan Glass. Jetzt beginnt das ständige Kommen und Gehen, die Frequenz steigt. Neue Gäste strömen rein, andere ziehen weiter. Es ist ein Kreislauf, der nicht abreißt. Der nächste Ansturm kommt bestimmt. 22 Uhr: Vor der schweren Holztür steht eine lange Schlange, die sich die Wendeltreppe hinunterzieht. Der Gewölbekeller ist voll – von der Eingangstür bis zum Raucherbereich. Jetzt verschwimmen Thekenkante und Tanzfläche. Es wird gejubelt, geklatscht, geprostet. Die Musik wird lauter, die Stimmung ausgelassener. Die Gäste singen, tanzen, lachen. Hinter der Bar läuft alles im Sekundentakt. Bestellungen fliegen rein, Tabletts füllen und leeren sich pausenlos. Die Luft ist warm, Gläser klirren, Gesichter strahlen. Alte Freunde liegen sich in den Armen. Drinnen ist es laut, eng und lebendig. Menschen stoßen miteinander an, obwohl sie sich vorher nie gesehen haben. Gläser verschwinden schneller, als wir sie spülen können. Zwischen Klassikern von John Denver und Queen und besonderen Versionen von Claptons „Layla“ oder „Easy“ liegt dieser besondere Moment. Jeder spürt ihn, ohne dass ihn jemand benennt. Irgendwo zwischen Kneipen-Romantik und Tanzflächen-Euphorie.

Die Musik läuft weiter, das nächste Tablett ist voll, die nächsten Gäste warten. Zeit spielt keine Rolle mehr. Stunden fühlen sich an wie Minuten, und trotzdem passiert ununterbrochen etwas. Wir funktionieren einfach. Die Energie im Raum trägt uns. Ich bin mittendrin – und merke in solchen Momenten, warum ich das mache. Die Musik bleibt laut, die Stimmung ausgelassen. Alles läuft fast automatisch. Die Hände arbeiten, der Kopf bleibt fokussiert. Keine Zeit zum Durchatmen – aber genau das macht diese Veranstaltung besonders. Für mich ist die Hexennacht jedes Jahr aufs Neue anstrengend – aber auch einer der schönsten Abende. Gegen Mitternacht verändert sich die Atmosphäre. Einige Gäste brechen zur nächsten Station auf, andere bleiben und rücken enger zusammen – als wollten sie den Moment noch ein wenig festhalten. Der Geräuschpegel bleibt hoch, aber die Dynamik wird ruhiger. Es fühlt sich fast an, als wäre nur noch eine einzige große Freundesgruppe übrig. Kurz vor eins wird es langsam leerer. Die ersten Nachtschwärmer verabschieden sich, ziehen weiter zur letzten Station des Abends. Das Ende ist in Sicht. Wir beginnen mit dem Aufräumen. Gläser verschwinden in der Spülmaschine, leere Flaschen wandern in die Kisten, die Kühlschränke füllen wir für den nächsten Tag auf. Die Musik wird leiser, das Tempo sinkt. Ein erstes Aufatmen geht durch den Raum. In der folgenden Stunde verabschieden sich nach und nach die restlichen Gäste. Einige wenige bleiben noch, trinken ihr letztes Bier, genießen die letzten Minuten dieser besonderen Nacht. Draußen ist es inzwischen kühl. Drinnen bleibt es warm – voller Restenergie, Bierdunst und diesem leisen Gefühl, gemeinsam etwas Besonderes erlebt zu haben. Die letzten Aufräumarbeiten laufen. Die letzten Taxis sind bestellt. Die Musik wird immer leiser. Jetzt ist klar: Der Abend ist vorbei. Die Gläser sind gespült, die Theke sauber, die Kühlschränke wieder gefüllt. Nur noch das Barteam bleibt – erschöpft, aber zufrieden. Dann geht das Licht aus. Die Tür fällt ins Schloss. Die Kellerei sinkt zurück in ihren nächtlichen Dornröschenschlaf – bis zum nächsten Mal.
Die Hexentour fordert uns jedes Jahr aufs Neue. Sie ist laut, wild, manchmal chaotisch. Aber sie gehört zu den Abenden, die im Gedächtnis bleiben. Für viele ist es einfach ein gelungener Kneipenabend. Für uns ist es mehr. Es ist Arbeit mit Herzblut. Es ist Familie. Und es ist ein Stück zu Hause, das wir jedes Wochenende mit Leben füllen. Bis zum nächsten Zapfen. Bis zur nächsten Bestellung. Wir sehen uns an der Theke!

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