Beitrag
Die TVP-Orgel beim Auftritt auf der Jockelei-Bühne: Von rechts, die drei Orgelpfeifen: Joachim Groh, Andreas Persch und Volker Dück, daneben Orgelmann Thomas Sefrin. Foto: Petry

Das Geheimnis der TVP-Turnerorgel

von Andreas Petry

Pompös bemalt steht sie auf der Bühne – grün, grau, blau, weiß, und rot, mit elf goldfarben aufgemalten Orgelpfeifen und zwei kecken Engelein, die den närrischen Spötteleien auf einem Schild freien Lauf lassen: „Oh Ihr böse Buben!“ Jahr für Jahr ein Spektakel, das sich die Narren nicht entgehen lassen. Und so dreht sich die Turnerorgel auch am Samstagabend bei der Gaudisitzung – mit Tradition, Witz und einer ordentlichen Portion Lokalkolorit.

Das Prozedere ist immer das Gleiche. Zum Einmarsch des Drehorgelspielers, Thomas Sefrin, klingt „Adelheid, schenk mir einen Gartenzwerg“ aus den Boxen. „Ich mach das auch schon 15 Jahren“, sagt der Drehorgelmann und fügt hinzu: „Auch jetzt noch bin ich aufgeregt, wenn ich durch den Saal einmarschiere.“ In Frack und Zylinder marschiert er durch das närrische Publikum auf die Bühne der Turnhalle. Dort steht bereits die Orgel bereit.

Raus aus dem Winterschlaf. Letzte Woche wurde die Orgel entstaubt und vom Lagerraum in die TVP-Halle transportier. Hier mit Orgeldreher Thomas Sefrin. Foto: Petry
Raus aus dem Winterschlaf. Letzte Woche wurde die Orgel entstaubt und vom Lagerraum in die TVP-Halle transportier. Hier mit Orgeldreher Thomas Sefrin. Foto: Petry

Der Orgelmann hat seinen Platz erreicht, nimmt die Kurbel in die Hand und fängt an zu drehen. Die Orgel beginnt in Form von Akkordeonklängen ihre Melodie, eine Adaption des Volksliedes „Mariechen saß weinend im Garten“ zu spielen. Nacheinander kommen die drei lebendigen Orgelpfeifen hinter der bemalten Holzwand nach oben. Alle sehen gleich aus. Rotes Haar, weiß mit roter Umrandung geschminkte Augen, Nasen und Münder. Sie tragen ein weißes Hemd, ein rotes Gillet und ein kleines rotes Halstuch. Seit sechs Jahrzehnten lautet die erste Strophe der Aufführung: „Mir griese Eich alle ihr Narre, egal ob jung odder alt und hoffe, dass Eich unser Sitzung heit owwend in de Turnhall gefallt.“

Das ist der Blick, den das Narrenvolk immer auf die Turnerorgel hat. Aber wie siehts hinter der prunkvollen Bemalung aus. Andreas Persch (62), Vollblutfastnachter beim TVP und seit 1999 ununterbrochen einer der drei Orgelpfeifen lacht und erzählt: „Nach hinten ist die Orgel offen, damit wir beim Reinschieben auf die Bühne bereits auf der quer eingebauten schmalen Holzbank sitzen können. Um das ständige Aufstehen und wieder hinsetzen zu erleichtern, ist in Griffhöhe eine Hebestange montiert.“ Direkt vorm Gesicht hängen noch auf einem langen, schmalen Papierstreifen die markierten Texte. In diesem Jahr müssen die Orgelpfeifen 207-mal aufstehen und hinsetzen. Persch, der die mittlere Orgelpfeife singt: „Neunmal pro Strophe. Dieses Jahr haben wir 23 davon. Da brauchts Power in den Beinen“

Ungeschminkt im Vorraum bei der Probe zur Gaudisitzung von hinten: Akkordeonspieler Markus Paul, Volker Dück, Andreas Persch und Joachim Groh. Foto: Petry
Ungeschminkt im Vorraum bei der Probe zur Gaudisitzung von hinten: Akkordeonspieler Markus Paul, Volker Dück, Andreas Persch und Joachim Groh. Foto: Petry

Das sehen auch die links und rechts von ihm stehenden Orgelpfeifen, Joachim Groh und Volker Dück. Der 64-jährige Groh gehört seit 2009 zur Orgel. „Ich muss noch ein bisschen trainieren“, lacht er. „Am letzten Freitag war Probe und schon habe ich Muskelkater.“ Hammerhart ist für ihn das Warten bis der Orgelmann loslegt und das Akkordeon die Melodie aufnimmt. Bis dahin gibt’s einen Schluck aus dem (Weißherbst)-Schorleglas. „Die Stimme muss geölt werden.“ Dann geht’s hoch. „Der Blick in die Menge. Ein unglaubliches Feeling“, sagt Groh. Er kam, wie Dück auch, von der Ersatzbank in die Startaufstellung. „Kennschd Du ämol?“ so fangen alle Orgelpfeifen an…

Dück sagte nicht nein und musste wegen des krankheitsbedingten Ausfalls gleich einspringen. Dück ist übrigens der Bruder von Benita Scherer. Die Familie der Bäckerei Scherer gehört seit mehreren Generationen zum TVP wie die Schwollköpp zum Meenzer Faschingsumzug. Lange Jahre saß Dück nur im Publikum, dachte zwar das könnte ich auch. Über das TVP-Männerballett „Daramdada“ kam der Spätberufene 60-Jährige vor sechs Jahren doch noch auf die Bühne. Heuer singt er zum zweiten Mal in der Orgel. Einmal pro Tag wird seit Ende Januar trainiert. „Ich sitz auf dem Stuhl stehe auf, blicke an die Wand und singe meine Strophen“, so verinnerlicht Dück die Texte. Er findet den Zusammenhalt, ob im Männerballett, der Gesangsgruppe Babbaratsch oder auch in der Turnerorgel grandios. „Das macht einfach Spaß.“

Ungeschminkt und in Farbe. Das heutige Orgel-Urgestein Andreas Persch und der Akkordeonspieler Markus Paul. Foto: Petry
Ungeschminkt und in Farbe. Das heutige Orgel-Urgestein Andreas Persch und der Akkordeonspieler Markus Paul. Foto: Petry

Nicht der dritte Mann, sondern der Fünfte im Bunde, ist Markus Paul. Es ist verrückt, dass der Winzler eigentlich ein absoluter Faschingsmuffel war. „Ok, ich machs“, kam die Antwort auf Perschs ständige Bohrversuche. „Er hat‘s nur mir zuliebe gemacht“, blickt der Werber auf Pauls ersten Auftritt im Jahr 2000 zurück. „Ich bin ja auf der Bühne nicht präsent“, schmunzelt der Akkordeonspieler über die Anfänge. Daraus sind 25 Jahre geworden. Mittlerweile ist Paul nicht nur musikalischer Taktgeber der Turnerorgel, sondern auch Teil des Männerballetts und von Babbaratsch. „Das Akkordeonspielen habe ich nie richtig zu Ende gelernt – das ärgert mich heute noch.“ Dennoch ist er unersetzlich. Denn während das Publikum jubelt und die Orgelpfeifen singen, ist er es, der die Melodie im richtigen Tempo hält. „Jeder Sänger ist anders – der eine singt schneller, der andere langsamer. Ich muss mich immer anpassen.“

Die Texte kommen von Persch und Groh. Die Jahr für Jahr die lokalen Meldungen der Zeitung durchforsten und immer genügend Pirmasenser Themen finden, die sich lohnen als Versreim aufzunotieren, um sie dem närrischen Publikum vorzutragen. Dück, der eine der Strophen beisteuert findet: „Es ist eine gute Mischung von kritischen und humorvollen Texten.“


Du willst mehr News aus Pirmasens? Abonniere jetzt kostenlos den Newsletter und erhalte die neusten Nachrichten aus der Stadt bequem ins Mail-Postfach. Einfach hier klicken: