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Die Rheinberger-Story – Teil 2
von Oliver Siebisch • Titelfoto: Stadtarchiv PirmasensVon der NS-Zeit bis zur Betriebsstilllegung
Gustav Rheinbergers 50. Geburtstag im Jahr 1939 wird, zufolge einem PZ-Artikel, von „Betriebsführer und Gefolgschaft“ mit einer Fahrt mit zwei Sonderzügen nach Bad Dürkheim begangen. Die nationalsozialistische Zeitung „Rheinfront“ streicht das soziale Werk des Firmenchefs hervor. Er habe durch die Errichtung von „Werkswohnungen, das Altersheim, das Gemeinschaftshaus, die Betriebsmütterschule, das Kinderheim und viele andere Einrichtungen“ an der richtigen Stelle gewirkt. „Seine Gefolgschaft“, so heißt es weiter, „besitzt in ihm einen jener modernen Betriebsführer, der von der Pike auf gedient hat und mit gesundem Menschenverstand und weitgehendem Verständnis mitten im Geschehen der Arbeit steht.“
Im selben Jahr wird der Firma, die nunmehr 2.300 Mitarbeiter beschäftigt und deren „Erzeugnisse … bekannt vorbildliche deutsche Werkmannsarbeit“ darstellen, das „Gaudiplom“ verliehen.

Die Evakuierung von Pirmasens im Zuge des beginnenden Zweiten Weltkrieges führt zur Eröffnung eines Ausweichbetriebes in Offenbach am Main. Ein Jahr später wird dann die Produktion nach Pirmasens „mit 150 Waggons und 160 Lastwagen“ zurückverlegt.

1942 lässt Gustav Rheinberger einen „Film vom Schuh“ herstellen, der vor geladenen Gästen und der Belegschaft im Kino vorgeführt wird. Er gehe, so die Presse, über Eigenwerbung hinaus und könne sogar als „Lehrfilm“ eingesetzt werden.
Die Verstrickung der Firma in NS-Verbrechen lässt sich anhand ihrer Beteiligung an im KZ Sachsenhausen mit Häftlingen durchgeführten Materialtestversuchen feststellen.
Der Pirmasens gegen Ende des Zweiten Weltkrieges treffende Bombenhagel zerstört schließlich große Teile des Fabrikgebäudes.

Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Schon im September 1945 kann die Produktion mit einem Drittel der ehemaligen Mitarbeiter wieder aufgenommen werden. Die Demontage von 200 Maschinen und deren Verbringung nach Frankreich hemmt indes den Aufbau. Im Jahr 1948 jedoch „stand Rheinberger … wieder in der ersten Reihe der deutschen Schuhfabriken“. Das Wirtschaftswunder tut ein Übriges, die Produktionszahlen wieder steigen zu lassen. Das Bundesverdienstkreuz wird Gustav Rheinberger 1954 verliehen. Anlässlich des 75. Firmenjubiläums erscheint 1957 Das Buch vom Schuh, und 1962 zählt man jährlich anderthalb Millionen Schuhe, die das Werk verlassen. Dies alles ist untrennbar mit Gustav Rheinberger verbunden.

Nach Rheinbergers Ableben heißt es in der Werkspostille: „Wenn die Belegschaft von Gustav Rheinberger sprach, nannte sie ihn den ‚Chef‘. Darin lag mehr als üblich: nicht Hochachtung allein, sondern auch Vertrauen, Verbundenheit und Dankbarkeit. Gustav Rheinberger war zweifelsohne ein patriarchalischer Chef. … Aber Patriarchat bedeutete ihm nicht Herrschaft, sondern Verantwortung.“ Seine „Auffassung von der Arbeit bestimmte auch sein Verhältnis zum Arbeiter, zum Mitarbeiter, zur Belegschaft, mit der er sich identifizierte.“ Soziales Unternehmertum sei ihm „etwas Selbstverständliches“ gewesen. Über 600.000 Mark weist seine Bilanz des Geschäftsjahres 1966/67 für freiwillige soziale Leistungen aus. Nie habe Rheinberger daran gedacht, selbst in den Schuhhandel einzusteigen, denn Konkurrenzgebaren sei ihm hier fremd gewesen. Mit ihm hat eine Pirmasenser Schuhfabrik bedeutende Erfolge erzielt, aber fast schon den Zenit überschritten.
Das Ende
Bald nach Gustav Rheinbergers Tod setzt ein starker wirtschaftlicher Niedergang ein, und die Fabrik steht mit ihrer inzwischen zusammengeschrumpften Belegschaft – sie umfasst nurmehr 700 Mitarbeiter – auf der Kippe. Das Ende läutet dann 1973 der Verkauf der Aktien an einen Spekulanten ein. Zwar wird ein Rettungsversuch unternommen und das Unternehmen noch eine Zeitlang fortgeführt, doch 1995/96 endet seine Geschichte.
Das Gebäude der Fabrik aber wird in den 2000er-Jahren einer neuen Nutzung zugeführt. Gerade das heute in ihm beheimatete Dynamikum entwickelt sich zu einem Besuchermagneten der Stadt. So ist denn zumindest das architektonische Erbe einer alten Pirmasenser Fabrikantenfamilie noch immer gegenwärtig. Es wird aus dem Bewusstsein der Pirmasenser nicht verschwinden.
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