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„Kein Systemfehler“
von Thomas MüllerJobcenter veröffentlicht Statistik zum Sozialbetrug
Seit Tagen wabert eine Geschichte aus Pirmasens durchs Internet: Das junge Paar Mike und Angelique kassiert vom Staat angeblich mehr als 3000 Euro im Monat für’s Nichtstun. Der Clip aus der Rtl2-Dokureihe „Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern“ wurde hundertfach kommentiert. Angeblich bekommen die jungen Eltern so viel Geld durch einen Systemfehler. Jetzt will das Pirmasenser Jobcenter mit dem Vorurteil aufräumen.
Näher eingehen auf den konkreten Fall aus der Fernsehsendung wollen die Verantwortlichen vom Jobcenter nicht. „Einen Systemfehler gibt es aber sicher nicht“, sagt Teamleiter Leistung Axel Rothhar. Zu den nackten Zahlen: Im Jahr 2023 hat Pirmasenser Jobcenter 27,7 Millionen Euro ausgezahlt. Durchschnittlich beziehen die Gelder zum Bestreiten des Lebensunterhaltes oder Kosten für die Unterkunft 4814 Leistungsberechtigte in der Stadt. 1279 Personen haben im vergangenen Jahr einen Antrag auf Bürgergeld bestellt.
Doch schon beim Beantragen müssen die Leute eine Reihe an Dingen beachten und auch glaubhaft versichern. Einen Personalausweis, der auf Echtheit geprüft wird zum Beispiel. Ebenso müssen sie Konten offenlegen und Änderungen, zum Beispiel ob sie eine Arbeit aufgenommen haben, unverzüglich mitteilen. Passiert das nicht, gibt es Konsequenzen. „Insgesamt gibt es genug Kontrollmechanismen, die einen Missbrauch schnell aufdecken“, ist sich Bereichsleiter Harald Maurer sicher. „Wir sind auch rechtlich dazu verpflichtet, die Kunden aufzuklären und auf ihre Pflichten hinzuweisen.“ Das ist auch bei Online-Anträgen auf Leistungen der Fall.
Jobcenter kann Übersicht aller Konten eines Kunden beantragen
„Wir reden hier nur von einem kleinen Teil, auch wenn es wahrscheinlich eine Dunkelziffer gibt, aber grundsätzlich funktioniert das System“, sagt Jobcenter-Geschäftsführer Peter Schwarz. Zum einen gibt es einen automatisierten Datenabgleich, der Zahlungen an Kunden erfasst. Auch bei der Vorlage von Kontoauszügen geht das Jobcenter Auffälligkeiten nach. „Das ist unser schärfstes Schwert“, sagt Rothhaar. Denn beim Konkret werden eines Verdachts, kann das Jobcenter einen Kontenabruf machen. Dann werden alle Konten ermittelt, die ein Kunde in Deutschland hat. Was ebenfalls steigt: Die Hinweise von Dritten. So gibt es immer mehr Meldungen von Bürgern, die andere anschwärzen. „Das sind etwa zwei bis fünf Anzeigen pro Monat und denen gehen wir natürlich auch nach“; sagt Rothhaar. Auch gibt es einen Außendienstmitarbeiter, der Wohnungen durchsuchen kann – sofern der Kunde ihn lässt.
Erhärtet sich der Verdacht, dass ein Leistungsbezieher Stütze kassiert, aber dennoch arbeiten geht, kann das Verfahren an das Hauptzollamt abgegeben werden. Bei Verdacht auf eine Straftat wird auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Im vergangenen Jahr wurden in Pirmasens 207 Verfahren dieser Art abgeschlossen. Das sprang dabei heraus: 24 Verwarnungen, 25 Bußgelder, 83 Abgaben an das Hauptzollamt, 12 Strafanzeigen an die Staatsanwaltschaft. 58 Verfahren wurden eingestellt, bei 5 war kein Verdacht vorhanden.
Unberechtigt erhaltene Leistungen müssen zurückgezahlt werden
In der Regel müssen Leistungsbetrüger das Geld zurückzahlen. „Es gilt natürlich immer die Unschuldsvermutung. Aber wird jemand erwischt, muss er unrechtmäßig erhaltene Leistungen auch wieder zurückgeben“, so Schwarz. Notfalls auch durchgesetzt durch ein Inkasso-Unternehmen. Schließlich seien es Steuergelder und somit das Geld der Bürger. Und der Geschäftsführer stellt klar: „Leistungsbetrug ist kein Kavaliersdelikt.“
Was aus Mike und Angelique aus der RTL2-Doku wurde ist nicht bekannt. Sicher dürfte nur sein, dass sie spätestens nach Ausstrahlung nicht mehr so viel Geld bekommen dürften.
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