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Steffi Vetrano und Lieslotte Grunert. Foto: Müller

„Pirmasens ist am Limit“

von Thomas Müller • Titelfoto: Thomas Müller

Integrationsministerium kippt Aufnahmestopp

Die Meldung schlug vergangenen Freitag hohe Wellen: Pirmasens nimmt keine neuen Kriegs-Flüchtlinge aus der Ukraine mehr auf (psst! Pirmasenser Storys berichtete). Die Stadtverwaltung rechtfertigte den Schritt damit, dass die Quote in Pirmasens mit über 82 Prozent über dem Königsteiner Verteilungsschlüssel lag. Aus Sorge vor einer Überforderung der Stadtgesellschaft und der Integration nicht mehr gerecht zu werden, wurde die Reißleine gezogen. Nun aber die Kehrtwende: Laut SWR hat das Integrationsministerium die Entscheidung der Stadt gekippt und Pirmasens muss weiter Flüchtlinge aufnehmen. Das bestätigt das Ministerium auf unsere Anfrage. Laut Statistik liege Pirmasens 39,56 Prozent knapp unter den geforderten 40 Prozent, ab der Kommunen die weiter Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen können. Von der Stadtverwaltung war kurzfristig niemand mehr zu erreichen.

Wir haben uns dennoch in der Stadt umgehört, was die Menschen in Pirmasens zu einem möglichen Aufnahmestopp sagen würden.

„Das wäre der absolut richtige Schritt, Pirmasens ist definitiv am Limit“, sagen Steffi Vetrano und Lieselotte Grunert (Titelfoto) unisono. „Es wird vor allem in der Innenstadt immer schlimmer, jetzt nicht direkt wegen der Ukrainer, aber als Frau habe ich manchmal schon Angst“, sagt Vetrano. Sie selbst war auch schon Zeugin von Ladendiebstahl oder Männern, die mit Messern aufeinander los gingen. „Polizei und Ordnungsamt müssten viel mehr Präsenz zeigen“, ist sie der Meinung. Freundin Lieselotte sagt dasselbe. „Wir haben einige Leerstände in der Stadt, vielleicht müsste man da eine Art City-Wache einrichten.“ Und Vetrano schiebt hinterher: „Als ich mal um 14 Uhr die Polizei gerufen habe, waren die um 17 Uhr dann hier, weil angeblich kein Auto zur Verfügung stand, das geht überhaupt nicht.“ Ihr graut es jetzt schon davor, wenn es abends früher dunkel wird. „Dann muss ich mich beeilen, um zum Auto zu kommen.“

Christian Lamb. Foto: Müller
Christian Lamb. Foto: Müller

„Generell halte ich nichts von einem Aufnahmestopp, die Leute brauchen ja Hilfe“, sagt Christian Lamb. Allerdings führt auch er an, dass man einzelne Gemeinden und gerade Pirmasens nicht überfordern darf. „Wenn die Kapazitätsgrenze erreicht ist, muss man sich vielleicht von oben her bessere Gedanken machen, wie man es gerecht verteilt“, sagt er. Deshalb sei es für Pirmasens schon der richtige Schritt gewesen, um einer Überforderung gegenzusteuern.

Brunhilde und Norbert Schwartz. Foto: Müller
Brunhilde und Norbert Schwartz. Foto: Müller

Diesen Punkt sehen Norbert und Brunhilde Schwartz, die es sich kurz im Eiscafé gemütlich gemacht haben, schon überschritten. „Das bringt doch eh nichts, wir haben schon zu viele für unsere Verhältnisse aufgenommen“, sagt Norbert. Das Problem sei, dass man bei uns in der Stadt und Region noch günstig wohnen könne, das ziehe viele Flüchtlinge an und spricht sich unter ihnen natürlich rum.

Günther Rothmeier. Foto: Müller
Günther Rothmeier. Foto: Müller

Den Aufnahmestopp für richtig hält Günther Rothmeier. „Die Stadt kann das einfach nicht mehr bewältigen, das merkt man doch. Wir helfen natürlich grundsätzlich gerne, aber irgendwo sind auch Grenzen erreicht“, sagt der Rentner. Pirmasens wäre eh eine ärmere Stadt mit hoher Arbeitslosen- und Sozialquote, von daher kann er die Entscheidung der Verwaltung in jeder Form nachvollziehen.

Sonja Weinsberg. Foto: Müller
Sonja Weinsberg. Foto: Müller

Ins selbe Horn bläst auch Sonja Weinsberg. „Wir sind am Ende unserer Kapazitäten angelangt irgendwo müssen dann auch andere Gemeinden in die Pflicht genommen werden“, sagt sie. Das merke man auch daran, dass Einheimische nicht mehr zur Tafel gehen können, weil nicht genug Ressourcen vorhanden wären. „Wir haben unsere Pflicht getan und mehr aufgenommen, als wir müssen, nun sind auch andere gefordert.“

Der Pirmasenser Vietnamese Nguyen. Foto: Müller
Der Pirmasenser Vietnamese Nguyen. Foto: Müller

Der einzige Befragte, der nichts vom Aufnahmestopp hält, ist Nguyen, der seine Pause am Schlossplatz genießt. „Wir sind doch verpflichtet zu helfen, schließlich haben wir alle Angst vor dem Krieg“, sagt der Vietnamese, der früher als Gastarbeiter in die DDR und nach der Wiedervereinigung nach Pirmasens kam. Allerdings ist er der Meinung, dass es auch falsch sei, der Ukraine Waffen zu liefern. Am liebsten wäre es ihm wenn der Krieg so schnell wie möglich vorbei sei. Da dürfte ihm wohl jeder zustimmen.