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Pirmasens per Bus
von Julia ScheppEine Stadttour mit Geschichte, Fußball und Tirolern
Ein Elektrobus, zwei engagierte Gästeführer und jede Menge Geschichte: Die erste von elf geplanten historischen Stadtführungen in Pirmasens war ein voller Erfolg. Unter dem Motto „Vor den Toren der Stadt“ nehmen Lothar Leiner und Claudia Ginkel die Teilnehmenden mit auf eine Reise durch Industrie, Fußballtradition und österreichischen Einfluss – und das ohne störende Motorengeräusche, dafür aber mit einer neuen Soundanlage und Busfahrer Günther Andreas, der das Gefährt souverän durch die engen Straßen manövriert.
Zwischen Chemie und Fußball
Die Tour startet am Busbahnhof und führte zunächst ins Industriegebiet Zweibrücker Straße, das mit seinen über 2000 Arbeitsplätzen nicht nur Chemieunternehmen wie Keck, Kömmerling und Profine, sondern auch Einkaufszentren und Baumärkte beherbergt. Doch früher war hier nicht nur Geschäft, sondern auch Fußball: Das alte Stadion des FK Pirmasens stand einst genau hier. Als Erinnerung wird ein historisches Luftbild durch den Bus gereicht.

Leiner erzählt mit sichtlicher Begeisterung von den Anfängen des Vereins 1903, als Fußball noch als eher unbeliebte Sportart galt. Probleme bei der Finanzierung des Kaufes einer der ersten Trainingsplätze führten dazu, dass die Parkbrauerei den Verein mitfinanzierte. Dies hatte allerdings einen klitzekleinen Haken: Jährlich mussten 30.000 Liter Bier abgenommen werden. Eine Herausforderung – spätestens als der Erste Weltkrieg ausbrach. Doch mit kreativen Lösungen – Bierlieferungen an die Front inklusive – überlebte der Verein diese Zeit.
Von Klebstoffen und Unternehmensgeschichte
Nicht nur der FKP, sondern auch die Chemieindustrie hat in Pirmasens eine lange Tradition. Die Firma Helmitin wurde 1919 von Paul Heinicke gegründet und produzierte zunächst Klebstoffe für die Schuhindustrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Firmensitz nach Pirmasens verlegt und später auf Fensterprofile ausgeweitet. 1987 ging das Unternehmen an den Bodenbelagshersteller Fobo über, ehe es von H.B. Fuller übernommen und schließlich liquidiert wurde. Heute können Unternehmen die Hallen mieten, und ein Biergarten namens „De Bäre Gaade“ hat sich dort erst vor wenigen Jahren angesiedelt.

Die Firma Kömmerling, heute mit 1.100 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt, wurde 1897 gegründet. Ursprünglich auf Klebstoffe für die Schuhindustrie spezialisiert, erweiterte sich das Unternehmen später ebenfalls um Fensterprofile. 1999 geriet die Firma aufgrund hoher Bankkredite in die Insolvenz und wurde aufgespalten: Kömmerling-Chemie wurde von H.B. Fuller übernommen, während Profine mit den Fensterprodukten weitergeführt wurde.
Der Fehrbacher Wasserturm
Ein besonderes Wahrzeichen auf der Route war der Fehrbacher Wasserturm. Mit einer Höhe von 38 Metern fasst er 800 Kubikmeter Wasser und wurde einst zur Versorgung der Nordstadt genutzt. Heute ist er nicht mehr in Betrieb und ein Abriss steht schon länger zur Diskussion. Während einige den Turm für ein wichtiges Denkmal halten, sehen andere in den Erhaltungskosten eine unnötige Belastung. Einstweilen bleibt er jedoch ein markanter Orientierungspunkt.

Die Tiroler kommen
Weiter geht es nach Fehrbach, wo Gästeführerin Claudia Ginkel über die „Tiroler Straße“ und die Geschichte der Einwanderer aus Österreich berichtet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war das Land entvölkert, und deutsche Fürsten warben arme Bauhandwerker aus Tirol an. Maurer Georg Erhard machte 1684 den Anfang und holte seine Familie nach. Bald folgten weitere Siedler, die sich hier niederließen – bis heute werden die Bewohner Fehrbachs „Tiroler“ genannt.
Ein weiterer Halt war die römisch-katholische Kirche St. Josef mit ihrem 53 Meter hohen Turm, der 1898 eingeweihten Orgel und dem historischen Schulhaus, das heute einen Jugendtreff, den Kraftraum des Ringervereines und das Büro des Ortsvorstehers beherbergt. In unmittelbarer Nähe befindet sich das Kriegerdenkmal, das den Opfern des Ersten und Zweiten Weltkrieges gedenkt, der Dorfbrunnen aus Sandstein und die preisgekrönte Obstbrennerei Hügel – die Führung endet später passenderweise mit einem Schnaps aus regionalen Zwetschgen.

Ein interessantes historisches Detail wurde ebenfalls erwähnt: Der 2. Februar markierte einst den Beginn des neuen Bauernjahres. Knechte und Mägde erhielten an diesem Tag ihren Jahreslohn und konnten sich entweder erneut bei ihrem Dienstherrn verpflichten oder eine neue Anstellung suchen. Zudem wurde an Lichtmess der Kerzenbedarf für das gesamte kommende Jahr geweiht. Eine alte Redewendung sagt dazu: „Wenn es an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit; ist es aber klar und hell, kommt der Lenz wohl nicht so schnell.“

Klein, aber geschichtsträchtig: Hengsberg
Die letzte Station führt nach Hengsberg, den mit 500 Einwohnern kleinsten Vorort Pirmasens. Einst fast ausgelöscht durch den Dreißigjährigen Krieg, zählte das Dorf 1902 wieder 100 Bewohner und wurde 1969 eingemeindet. Heute gibt es dort ein Industriegebiet u.a. mit der Firma Preißer, die auf Wellpappe spezialisiert ist. Wer Hengsberg weiter erkunden will, kann sich auf den historischen Rundwanderweg begeben – vorbei an der Pilzmühle und ins Blümelstal.
Zurück am Bahnhof endet die Tour mit guter Laune und einem letzten Prost auf die Stadtgeschichte. Die nächsten Führungen stehen bereits fest: Am 1. März geht es um die Geschichte der Parkbrauerei, und am 15. März widmet sich eine Sonderführung den „Kriegswunden und Heilung“ zum 80. Jahrestag des Luftangriffs auf Pirmasens.
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