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Einige der fleißigen Schüler sitzen mit ihrem Lehrer Timo Heim Probe. Foto: Müller

Platz nehmen auf einem Stück Stadtgeschichte

von Thomas Müller • Titelfoto: Thomas Müller

Marmorliegen für Pirmasens mit Hilfe der Montag Stiftung

Da steht sie im Hof der BBS Pirmasens in der strahlenden Sonne, eifrig nehmen die geladenen Gäste Platz auf der nagelneuen Marmorliege. „Sehr bequem“, sagt Bürgermeister Michael Maas. Auf den ersten Blick undenkbar wenn man die weißen Marmorsteine erblickt. Aber was steckt dahinter?

Pirmasens schreibt ein neues Kapitel in Sachen Stadtgestaltung – und das mit einem starken Symbol aus Stein, Stahl und Gemeinschaftssinn. Die ergonomisch geformte, designorientierte Marmorliege, gefertigt aus jahrzehntealtem Pflasterstein, lädt ab sofort Schüler und Lehrkräfte zum Verweilen ein. Bis dahin war es aber ein steiniger Weg!

Ein Möbelstück mit Geschichte

Im Mittelpunkt steht ein Material, das die Stadt jahrzehntelang geprägt hat: weißer Carrara-Marmor, der einst in kunstvoller Ornamentik die Südliche Hauptstraße zierte. Rund 250 dieser Pflastersteine bilden heute die Liegefläche der neuen Outdoor-Liege – keine Stangenware, sondern hochwertig und in liebevoller Handarbeit gefertigt. Die Steine, einst Teil des Straßenbilds, finden in den neuen Möbelstücken ein zweites Leben – und laden dazu ein, Geschichte buchstäblich „neu zu erleben“. Früher praktisch Fußabtreter, heute kann man sich gemütlich darauf lümmeln.

Auch zu dritt lässt es sich auf der Liege aushalten wie Ruth Gilberger, André Jankwitz und Denis Clauer beweisen. Foto: Müller
Auch zu dritt lässt es sich auf der Liege aushalten wie Ruth Gilberger, André Jankwitz und Denis Clauer beweisen. Foto: Müller

Die Initiative dazu stammt von der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft aus, die 2022 und 2023 unter dem Titel „Pirmasenser Resonanzen“ und „Pirmasens, wo willst du hin?“ partizipative Kunstprojekte in der Innenstadt realisierte. Fragen an die Stadt, ihre Menschen und ihre Zukunft standen dabei im Zentrum – und führten zur Idee, die alten Pflastersteine nicht einfach zu entsorgen, sondern in neuem Kontext wieder sichtbar zu machen.

„Der Erfolg fing praktisch mit Misserfolg an“, sagt Ruth Gilberger von der Stiftung. Zuerst war da nämlich die Idee, die alten Steine auszuhöhlen und eine Art Skulptur zu schaffen. Das habe sich aber schnell zerschlagen. „Dann habe ich mit André Jankwitz, dem Gartenamts-Chef, Wein getrunken und zusammen mit BBS-Lehrer Timo Heim kam eine Idee“, erinnert sich Gilberger. Die Initialzündung ging aber von Stadtmarketingleiter Rolf Schlicher aus, der ähnliche Liegen schon einmal in der Pirmasenser Partnerstadt Poissy gesehen hatte.

Vom Modell zur Marmorliege: Ein kreativer Kraftakt

Was zunächst in Form von Miniaturmodellen aus Zuckerwürfeln und Pappe begann, wurde mittlerweile erfolgreich in die Realität überführt. Der erste Prototyp wurde schnell von Timo Heim präsentiert – und überzeugte auf ganzer Linie. Seit 2017 betreut der Pädagoge die Schülerfirma BBS Kreativ.

„Es ist ein Projekt, das die Schüler komplett selbst herstellen können“, berichtet Heim. Gefertigt wurde die Liege nämlich von Jugendlichen der Schülerfirma in enger Kooperation mit Auszubildenden des städtischen Garten- und Friedhofsamtes. „Auch andere Dinge werden bei uns gefertigt und zum Beispiel auf Märkten von den Schülern verkauft. Die positiven Rückmeldungen dort sind oft wertvoller als reine Noten“, sagt der Lehrer stolz. Außerdem können sich die Schüler so die Klassenkasse aufbessern. „Es hat echt Spaß gemacht, daran zu arbeiten und nach und nach zu sehen, wie die Liege entsteht“, sagt die 17-jährige Ayscha, während sie auf die fertige Liege blickt.

Einst zierten sie die Fußgängerzone, nun sind die Marmor-Steine eine Liege. Foto: Müller
Einst zierten sie die Fußgängerzone, nun sind die Marmor-Steine eine Liege. Foto: Müller

Das stabile Gestell besteht aus fünf Millimeter starkem Stahl, wurde von Hand am Plasmaschneider zugeschnitten, verschraubt, verschweißt und anschließend anthrazitfarben lackiert. Die Kombination aus klarer Formensprache, hochwertigen Materialien und individueller Fertigung macht jede Liege zu einem Unikat.

Mit rund 1,2 Tonnen Gewicht, 175 cm Länge, 120 cm Breite und einer Rückenlehne von etwa 90 cm Höhe bieten die Marmorliegen nicht nur großzügigen Platz für bis zu zwei Personen, sondern auch maximale Stabilität und Langlebigkeit.

Stadtgestaltung mit Sinn und Seele

Bei der offiziellen Präsentation des Prototyps im BBS-Schulhof betont der Beigeordnete Denis Clauer die Bedeutung des Projekts: „Das zeigt wieder einmal, was für ein gutes Netzwerk wir in Pirmasens haben. Es ist vielleicht wenig Geld da, aber gute Ideen und Menschen, die sich engagieren und etwas umsetzen.“

Für Ruth Gilberger, Vorständin der Montag Stiftung, ist die Marmorliege „eine künstlerisch-handwerkliche Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“. Gemeinsam mit Timo Heim, sowie André Jankwitz, erläuterte sie, wie aus der anfänglichen Idee ein tragfähiges, nachhaltiges Projekt wurde – mit Potenzial für mehr. Auch Jankwitz, der momentan den gesamten Schulhof mit seinem Team neu gestaltet, zeigte sich begeistert. „Das war extrem spannend, manchmal auch schwierig aber das Ergebnis kann sich sehen lassen.“ Er hat auch schon gleich Verbesserungsvorschläge für die nächsten Liegen: „Da werden wir spezielle Verschraubungen für den Transport einbauen, denn die Teile sind ja schon echt schwer“, sagte er.

Der nächste Schritt: Sechs Liegen für den öffentlichen Raum

Nach der erfolgreichen Vorstellung des Prototyps geht das Projekt nun in Serie: Insgesamt sechs Marmorliegen sollen in naher Zukunft an verschiedenen Standorten im Pirmasenser Stadtgebiet installiert werden. Finanziell ermöglicht wird die Serienproduktion durch die Montag Stiftung, die das Vorhaben auch weiterhin ideell begleitet. Dafür gibt es von der Stiftung einen fünfstelligen Betrag. Erste Ideen für geeignete Aufstellungsorte gibt es bereits. „Naheliegend sind natürlich Strecktal, Neufferpark oder Eisweiher“, blickt Bürgermeister Michael Maas voraus. Aber vielleicht kommen ein paar der Steine an den Ort zurück, an dem sie über 40 Jahre im Erdreich fristeten: In der neu gestalteten südlichen Fußgängerzone. „Wir prüfen das natürlich, haben aber auch andere Möglichkeiten wie zum Beispiel das Areal auf dem Waldfriedhof“, sagt Maas.

Ruth Gilberger von der Montag Stiftung mit dem Modell aus Zuckerwürfeln. Foto: Müller
Ruth Gilberger von der Montag Stiftung mit dem Modell aus Zuckerwürfeln. Foto: Müller

Der Denkmalschutz steht dem Projekt nicht im Weg: Durch bereits erfolgte Umgestaltungen im oberen Bereich der Fußgängerzone sind ausreichend originale Marmorsteine verfügbar. So kann nicht nur Material sinnvoll wiederverwendet, sondern auch ein Stück Stadtgeschichte dauerhaft bewahrt werden.

Ein Projekt mit Strahlkraft

Die Marmorliegen sind mehr als nur Möbelstücke. Sie stehen für eine neue Art der Stadtentwicklung – nachhaltig, kreativ und gemeinschaftlich. Sie fördern lokale Bildung, handwerkliche Ausbildung und künstlerisches Denken gleichermaßen. Vor allem aber sind sie ein greifbares Symbol für die Kraft, die entsteht, wenn verschiedene Akteure gemeinsam an der Zukunft ihrer Stadt arbeiten. Das meint auch Ruth Gilberger: „Wir haben eine tiefe Verbundenheit zu Pirmasens in den vergangenen Jahren und durch unsere anderen Projekte entwickelt.“

Es dürfte wohl nicht der letzte Besuch der Stiftung in Pirmasens gewesen sein.


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