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Schon die ganz Jungen sind dabei: Gruppenfoto der Boxer mit den Trainern. Foto: Müller

„Unser Sport ist mehr als nur auf die Fresse hauen“

von Thomas Müller

Wie man sich beim Boxclub Pirmasens engagieren kann

Im Gleichschritt laufen die Jungs und ein Mädchen hintereinander im Kreis in der Gymnastikhalle des Hugo-Ball-Gymnasiums. Bis auf die Schritte, die auf den Holzboden hämmern und vereinzeltes Schnaufen ist nichts zu hören. Ein Junge macht die Übungen vor, alle anderen folgen. Warmmachen beim Boxclub Pirmasens!

„Die wissen alle, was sie zu tun haben, Disziplin ist eine der Grundtugenden unseres Sports“, sagt Vitali Litz. Der 38-Jährige muss es wissen, denn er ist seit knapp zwei Jahren Vorsitzender des Vereins und auch Trainer. „Ich bin in diesem Jahr 25 Jahre beim Verein dabei“, erklärt Litz. 1996 kam er aus Russland nach Pirmasens.

Seitdem ist Boxen seine Leidenschaft. Auch wenn er selbst die Handschuhe an den Nagel gehängt hat und nur noch fürs Training überstreift, ist er nach wie vor Feuer und Flamme. „Boxen formt gleichermaßen Körper und auch Geist“, sagt er. Seit Litz am Ruder ist, gelingt es auch immer mehr an Wettkämpfen teilzunehmen. „Das grundlegende Ziel ist es, auch Champions herauszubringen“, erklärt er.

Volle Konzentration: Champion Egor Lukianchenko am Boxsack. Foto: Müller
Volle Konzentration: Champion Egor Lukianchenko am Boxsack. Foto: Müller

Den hat er auch in Person von Egor Lukianchenko. Der 19-Jährige kam vor drei Jahren als Kriegsflüchtling aus der Ukraine nach Pirmasens, war in seiner Heimat schon sehr erfolgreich. Auch hier in Deutschland: Vor zwei Jahren wurde er Deutscher Meister in seiner Alters- und Gewichtsklasse.

Gerade steht Egor am Boxsack und hämmert auf ihn ein. Rechts, links, die Füße ständig in Bewegung. Wie Kanonenkugeln treffen seine Schläge immer wieder den 120 Kilo schweren Sack, mit dem möchte man nicht tauschen. „Ganz normal“, lacht der junge Mann. Es mache ihm Spaß hier in Pirmasens, sagt er. „Boxen ist meine absolute Leidenschaft, ich lege da alles rein, was ich habe“, sagt er. Doch er ist nicht allein: Auch seine jüngere Schwester Renata (13) und sein Bruder Artem (9) trainieren fleißig mit.

Kurze Lagebesprechung mit Trainer Oleksander Osadchyi zwischen den Gongs. Foto: Müller
Kurze Lagebesprechung mit Trainer Oleksander Osadchyi zwischen den Gongs. Foto: Müller

Der Erfolg des Boxclubs ist nicht zuletzt einem weiteren Trainer zu verdanken: Oleksander Osadchyi. Auch der 65-Jährige kam vor drei Jahren aus der Ukraine in die Horebstadt. Seine Kommandos donnern wie Blitze durch die Halle. „Rechts, links, Deckung hoch“, könnte man meinen, denn meist spricht der Trainer russisch. „Wir übersetzen aber auch“, lacht der gebürtige Russe Litz.

Überhaupt ist es eine konzentrierte und ruhige Stimmung. Von Spannung keine Spur. „Wir haben hier so viele Nationen, Deutsche, Albaner, Ukrainer, Polen, Russen und alle kommen super miteinander aus“, sagt Vitali stolz. Die Jungs würden sogar abends oft was miteinander unternehmen. „Wir sind eine richtige Familie geworden, es ist toll, was hier entstanden ist“, sagt Litz. Auch der Krieg in der Ukraine spielt keine Rollen. „Wir können daran leider eh nichts ändern, reden auch nicht wirklich darüber. Wenigstens in Pirmasens scheint der Krieg weit weg.

Nur mit Bandagen: Die Jungs bereiten sich auf den Einsatz mit Handschuhen vor. Foto: Müller
Nur mit Bandagen: Die Jungs bereiten sich auf den Einsatz mit Handschuhen vor. Foto: Müller

Zurück zum Training, es gibt auch wirklich einen Gong wie im Ring! Der kommt zwar vom Handy, hört sich aber echt an. Es gibt immer drei Runden á drei Minuten, dazwischen eine Minute Pause. „Wir trainieren unter Wettkampfbedingungen, da sind die Zeiten genauso“, erklärt Vitali. Er möchte seinen Sport nicht als Kneipenschlägerei oder sonst etwas verstehen. „Das hier ist Leistungssport. Echte Athleten brauchen zehn Trainingseinheiten pro Woche.“ Nur so könne man erfolgreich Wettkämpfe bestreiten. „Lässt man nur eine Einheit weg, merkt man sofort einen Leistungsabfall“, weiß der Trainer. Zum Training gehören neben Boxen natürlich auch reines Pumpen oder Joggen, Schwimmen oder Radfahren.

Zwar kontrolliere er die Jungs und Mädchen nicht, aber seinem geschulten Auge entgeht wirklich jedes fehlende Prozent an Leistung. „Früher, als ich selbst noch geboxt habe, waren zwei Einheiten pro Tag normal“, erinnert er sich. Fliegende Fäuste sind beim Boxen natürlich durchaus erwünscht, aber es geht gesittet zu. „Klar sind die auch mal sauer, wenn sie eine auf die Nase kriegen, das tut schließlich weh“, lacht Vitali. Allerdings werden Kraftausdrücke oder schimpfen nicht geduldet. „Die wissen dann gleich, dass es wahrscheinlich ihre Schuld war und an der fehlenden Deckung lag.“ So wird einfach kurz durchgeschnauft, sich geschüttelt und weiter geht’s.

Leidenschaftlicher Boxer und Vereinschef: Vitali Litz beim Training. Foto: Müller
Leidenschaftlicher Boxer und Vereinschef: Vitali Litz beim Training. Foto: Müller

Weiter gehen soll es auch wettkampftechnisch. Zurzeit ist der Boxclub in der Oberliga am Start. „Wir waren sogar für die Bundesliga nominiert, mussten aber krankheitsbedingt die Teilnahme absagen“, sagt Vitali. Auf lange Sicht ist die Bundesliga natürlich das Ziel. Dafür opfert der Trainer viel Zeit, meistens ist er vier oder fünf Mal pro Woche mit dabei in der Halle. Über 60 Trainingsteilnehmer kommen da in vier verschiedenen Gruppen zusammen. Das alles macht Vitali Litz ehrenamtlich – Respekt!

Natürlich gibt es aber auch Baustellen. „Es fällt leider immer schwerer, die Leute zu motivieren, damit sie bei der Stange bleiben“, sagt er. „Manchmal kommen Interessenten für ein oder zwei Einheiten und dann nicht mehr.“ Trifft er die dann woanders, werden Ausreden gesucht, wie zum Beispiel, dass zu viel für die Schule gemacht werden müsse. „Für eine oder zwei Stunden Training sollte aber immer Zeit sein“, ist er sich sicher. Schließlich komme das den jungen Leuten auch zugute, wenn sie körperlich fit sind.

Der Verein sucht immer noch ein neues Zuhause

Litz ist zwar froh, dass sein Verein immer am Hugo-Ball trainieren könne, ganz optimal sei dies aber nicht. Denn Training im Boxring wäre hier viel zu kompliziert mit dem Aufbau. „Wir besitzen drei Ringe, aber die für jedes Training aufzubauen wäre einfach zu viel“, sagt er. Deshalb weichen die Boxer fürs Sparring oft zu anderen Vereinen aus, beispielsweise nach Kaiserslautern.

„Wir haben bei der Stadt natürlich schon angefragt und befinden uns auch immer wieder in Gesprächen und suchen nach Lösungen“, sagt Litz. Das gilt auch für ein Vereinsheim, denn das hat der Boxclub auch nicht mehr. In den 90er Jahren brannte das „Bürgerstübl“ in Rodalben ab, wo der Verein bis zu dem Zeitpunkt heimisch war. „Auch viele Pokale wurden ein Raub der Flammen, viel Geschichte wurde vernichtet“, sagt Litz traurig. Deshalb sucht der Boxclub auch in dieser Hinsicht eine neue Heimat. „Falls jemand etwas anzubieten hat, kann er sich jederzeit bei uns melden.“

Konzentrierter Blick: Trainer Osadchyi sagt, wo es lang geht. Foto: Müller
Konzentrierter Blick: Trainer Osadchyi sagt, wo es lang geht. Foto: Müller

Das gilt auch, wenn man sich im Verein einbringen will. „Es reicht ein Anruf, eine kurze Mail oder am besten einfach zu einem Training vorbeikommen“, sagt Litz. Alle Infos dazu gibt es auf der Homepage: www.boxclub-pirmasens.de.

Eine weitere gute Gelegenheit, sich einen Überblick über den Verein zu verschaffen, ist die große Box-Nacht am Samstag, 5. April in der Wasgauhalle. „Wir veranstalten die bereits zum dritten Mal und sind auch sehr stolz darauf“; sagt Litz. Zu stemmen sei das nur durch die große Gemeinschaft und die ehrenamtliche Hilfe der Mitglieder. Zusagen hat er unter anderem schon von Vereinen aus Passau, Limburg, Koblenz, Saarbrücken oder sogar Luxemburg.

Einlass ist bereits um 15 Uhr, der erste Gong wird voraussichtlich um 16 Uhr. Der Eintritt kostet für Erwachsene zehn, für Kinder fünf Euro. „Es gibt reichlich Kämpfe zu sehen, wir machen das auch, damit unsere Boxer Wettkampferfahrung sammeln können“, sagt Litz. Denn die Veranstaltungen würden immer weniger werden. Ziel sei es diesmal, den Wanderpokal in Pirmasens zu behalten. „Wir werden natürlich alles geben“, lacht Litz und wendet sich wieder dem Training zu. Denn der Gong vom Handy ist ertönt und es geht weiter mit dem Üben im Hugo-Ball. Damit auch alle fit sind für die Box-Nacht.

Lust auf Boxen bekommen? Hier die Kontaktmöglichkeiten:

Telefon: 0176 63432980
Mail: kontakt@boxclub-pirmasens.de

Homepage: www.boxclub-pirmasens.de

Trainingszeiten:
Aktive/Jugend: Mo, Do: 18:00 – 20:00 Uhr
Kids : Mi 17:00 18:00 Uhr
Ü40: Mo, Do: 17:00 – 18:00 Uhr
Hugo-Ball-Gymnasium Sporthalle


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