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Vermisst: Der dritte Fall so berichtete die Pirmasenser Zeitung 1967 über die Vermisste Eveline Lübbert. Foto: Petry

Warum ein Film Pirmasens fesselt

von Andreas Petry

Besuch bei „Spurlos“ von Henry Hauck

Walhalla-Kinocenter, abends, 18 Uhr. Die Warteschlange ist lang. Sie reicht bis auf die Landauer Straße. Das Interesse ist riesengroß. Es läuft der Film über die drei verschwundenen Kinder von Pirmasens. Der Titel der Dokumentation lautet: „Spurlos: Warum die Zeit keine Wunden heilt.“ Der Filmemacher Henry Hauck hat recherchiert. Nicht ohne Grund: Die vermisste Evelyn Lübbert ist seine Cousine.

Bei der Premiere des Films bildet sich eine Menschenschlange bis auf die Landauerstraße. Foto: Petry
Bei der Premiere des Films bildet sich eine Menschenschlange bis auf die Landauerstraße. Foto: Petry

In den ausverkauften Sälen des Walhalla und Royal nimmt Hauck die Besucher mit. Sie reisen zurück in die 60er Jahre. Die schicksalhafte Vergangenheit macht alle betroffen. Viele haben das Unvergessliche miterlebt. Die Zeit heilt keine Wunden! Alles ist Realität, keine Fiktion.

Im Bereich Exerzierplatz und Messgelände verlieren sich die Spuren dreier Kinder. Alle Suchmaßnahmen werden erfolglos beendet. Ihr Platz in der Familie bleibt leer. Die Freundinnen und Freunden warten vergeblich auf sie. Seit 65, 61 und 58 Jahren. Unfassbar! Die Intention des Films wird klar. Jedes Jahr werden hunderte Kinder vermisst. Viele Kinder, für immer. Seit 1951 gibt es laut Bundeskriminalamt 1869 ungeklärte Fälle vermisster Kinder. Ein lauter, imaginärer Schrei: „Passt auf uns auf!“

Henry Hauck begrüßt vor seiner beeindruckenden Dokumentation über die vermissten Kinder in Pirmasens das Publikum im Kinosaal des Royal. Foto: Petry
Henry Hauck begrüßt vor seiner beeindruckenden Dokumentation über die vermissten Kinder in Pirmasens das Publikum im Kinosaal des Royal. Foto: Petry

Freitag, der 25. November 1960, Freitag, der 17. Januar 1964 und Freitag, der 8. September 1967. An diesen Tagen werden die Kinder letztmals gesehen. Fabio Broschart, Klaus Dieter Stark und zuletzt Eveline Lübbert kehren nie mehr zurück. Die Jungs sind neun, das Mädchen zehn Jahre alt.

Angehörige kommen im Film zu Wort. Sie zeigen sich betroffen, auch heute noch. Eine Schulkameradin weint. Sie hat Eveline Lübbert kurz vorm Verschwinden noch gesehen. Sie fragt sich: waren wir nicht aufmerksam genug? Lübberts Bruder und Schwester, damals klein, nichts ahnend, verängstigt. Später erleben sie wie ihr Vater daran zerbricht. Verlust macht zerbrechlich.

Der Fokus im Film ändert sich. 1973, sechs Jahre nach dem letzten Vermisstenfall. Der neue Kripochef präsentiert einen Täter. Im Raster von Kriminalrat Ernst Fischer bleibt er hängen. Er ist sich sicher. Es ist Günter Justus, der Waldmensch, der Außenseiter, der Kinderfänger? Auch die Medien hängen ihn. „Wieviel Kinder hat Justus in seine Höhle gelockt?“ So lautet der Aufmacher einer großen Boulevardzeitung. Weitere ähnliche Schlagzeilen anderer Gazetten leuchten in den vollbesetzten Kinosaal. Vorurteil? Vorverurteilung?

Applaus nach dem Abspann der Kinogäste im Royal, darunter OB Markus Zwick und Ex-OB Bernhard Matheis. Foto: Petry
Applaus nach dem Abspann der Kinogäste im Royal, darunter OB Markus Zwick und Ex-OB Bernhard Matheis. Foto: Petry

Szenen von stundenlangen Vernehmungen werden nachgestellt. Vorwürfe, Vorhalte, Beschuldigungen, aber kein Geständnis. Justus wird angeklagt. Ein Rechtsanwalt erinnert sich an seinen verstorbenen Kollegen Gottfried Malchus. Er hat Justus verteidigt. Es kommt zu keiner Verurteilung. Beifall im Gerichtssaal, Beifall für Justus‘ Freispruch, Beifall für den bei den Pirmasensern beliebten Justus.

Duplizität in den Kinosälen. Beifall für den Filmemacher, für den Rückblick auf unglaubliche Geschehnisse. Der Film endet mit Bildern vom Waldfriedhof. Justus ist dort begraben – anonym. Die Gräber der Kinder sind leer!

Hinweis:

Aufgrund des großen Interesses gibt es weitere Termine im Walhalla-Kinozentrum für den Film von Henry Hauck: „Spurlos: Warum die Zeit keine Wunden heilt.“

Mittwoch, 19.03.2025, 19 Uhr; Mittwoch, 26.03.2025, 18:30 Uhr, 19 Uhr; Mittwoch, 2.4.2025, 19 Uhr.


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