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Wie das Pirmasenser Krankenhaus gegen Fachkräftemangel kämpft
von psst!-RedaktionBereits seit 2017 läuft eine erfolgreiche Kampagne
Der anhaltende Fachkräftemangel im Pflegebereich stellt viele Krankenhäuser in Deutschland vor große Herausforderungen. Das Städtische Krankenhaus Pirmasens hat bereits 2017 eine wegweisende Initiative gestartet, um durch die Anwerbung und Integration von Pflegefachkräften und Auszubildenden aus Drittstaaten dieser Problematik entgegenzuwirken. Mit bemerkenswertem Erfolg: Bis heute wurden fast 100 Abschlüsse ausländischer Pflegekräfte anerkannt, und der Nachwuchs wird zunehmend durch internationale Auszubildende gesichert. Die Initiative gilt mittlerweile als Modellprojekt.
Fachkräftemangel: Eine Herausforderung, die Flexibilität erfordert
„Der regionale Arbeitsmarkt gibt zu wenig Fachkräfte her, um die hohen Bedarfe unseres Hauses im Pflege- und Funktionsdienst zu decken“, erklärt Pflegedirektor Bernd Henner. „Auf Jahressicht können wir zwei von drei Stellen nicht über den regionalen Markt besetzen, trotz intensiver Bemühungen.“ Neben dem Mangel an qualifizierten Pflegekräften verschärft auch der demografische Wandel die Problematik: Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine Ausbildung im Pflegebereich.
2017 entschied sich das Städtische Krankenhaus Pirmasens daher, internationales Neuland zu betreten. „Die Anwerbung von Fachpersonal und Nachwuchs aus Drittstaaten bedeutete eine große Herausforderung, aber auch ein unternehmerisches Risiko“, so Martin Forster, Geschäftsführer des Krankenhauses. „Besonders da nicht alle Investitionen refinanziert werden können.“ Unterstützt durch spezialisierte Agenturen und ein starkes Partnernetzwerk hat sich das Krankenhaus dieser Aufgabe gestellt.
Erfolge der internationalen Rekrutierung
Seit Beginn der Initiative wurden die Abschlüsse von 97 Pflegefachkräften aus Ländern wie Indien und den Philippinen anerkannt. Ein Beispiel ist Gerald Berbosidad (Titelfoto) von den Philippinen, der nach einem vierjährigen Studium in Manila und dem Erreichen des Sprachniveaus B2 im April 2024 seinen Anerkennungslehrgang in Pirmasens begann. „Ich lerne hier viel über den Umgang mit Computern und die deutschen Pflege-Standards“, sagt er. Gerald hat sich gut eingelebt, obwohl er das deutsche Wetter und die sprachlichen Finessen des lokalen Dialekts als Herausforderung beschreibt. Nach der abschließenden Prüfung plant er, weiterhin in Pirmasens zu arbeiten. Weitere Schwerpunkte seiner Anpassungsmaßnahme sind Körperpflege sowie Unterstützung beim Essen und Trinken. Beides übernehmen in Südostasien Nursery Assistants, die den Pflegefachkräften zur Seite stehen.
Die Anpassungslehrgänge orientieren sich an den Vorgaben des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung und enden mit einer Prüfung. Die Teilnehmer erhalten dabei eine enge Begleitung, unter anderem durch spezielle Sprachkurse und praktische Schulungen. Der Aufwand für die Anpassung der Qualifikationen ist hoch, doch die Integration der hochkompetenten Fachkräfte erweist sich als nachhaltige Lösung für den Fachkräftemangel.
Generalistische Pflegeausbildung: Nachwuchs sichern
Parallel zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse hat das Städtische Krankenhaus 2023 die Ausbildung internationaler Pflegekräfte intensiviert. „Wenn ein junger Highschool-Absolvent aus Indien oder den Philippinen drei Jahre bei uns lernt, spricht er perfekt Pirmasensisch und kennt unsere Pflege-Standards von Grund auf“, erklärt Geschäftsführer Martin Forster.
Die Ausbildung folgt dem generalistischen Ansatz, bei dem Pflegekräfte für alle Altersgruppen und Versorgungsbereiche qualifiziert werden. Von Beginn an wurde auf internationale Klassen gesetzt, um Integration und Zusammenarbeit zu fördern. Im April 2023 startete der erste Kurs mit 13 Auszubildenden, darunter fünf aus Drittstaaten. Mittlerweile nehmen 35 internationale Azubis aus Indien, den Philippinen und Nepal an den Kursen teil. Auch die praktische Ausbildung umfasst ein breites Spektrum: Von Einsätzen im Krankenhaus über ambulante Dienste bis hin zu Seniorenheimen. Integration erfordert Fingerspitzengefühl“, sagt Anja Hammel. „Wir sprechen von Beginn an Deutsch – das kostet zwar Unterrichtszeit, ist aber absolut zielführend.“ Das Bildungszentrum bietet begleitend zum Unterricht ein Mal wöchentlich Sprachförderung an. Mit entscheidend dafür ist, dass zu den Mindestvoraussetzungen bei Bewerbungen neben einem dem Sekundarabschluss I vergleichbaren Bildungsstand auch Deutschkenntnisse auf B2-Niveau zählen.
Augustine Brillya, eine 21-jährige Auszubildende aus Indien, berichtet: „Ich hatte anfangs etwas Heimweh, aber mit Unterstützung des Krankenhauses habe ich mich gut eingelebt. Die Ausbildung ist anspruchsvoll, aber sehr bereichernd.“ Die Sprachförderung spielt dabei eine entscheidende Rolle: Deutschunterricht auf B2-Niveau gehört zu den Zulassungsvoraussetzungen, und die Volkshochschule Pirmasens bietet zusätzliche Kurse an, die praxisnah und berufsbezogen gestaltet sind. Zur praktischen Ausbildung geht sie ins Städtische Krankenhaus, Einblicke erhält sie aber auch bei einem ambulanten Pflegedienst und in einem Seniorenheim. Ihren Abschluss als Pflegefachfrau wird sie voraussichtlich im April 2026 machen.
Johnin Savio stammt ebenso aus Indien und hat dort den gleichen Schulweg wie seine Mitschülerin hinter sich gebracht. Ihm wurde für den Übergang für vier Monate eine Wohngemeinschaft in einem Mietshaus der Bauhilfe vermittelt, mittlerweile ist er eigenständig in eine andere Wohnung gezogen. „Mir sind die komplett andere Sprache und auch das Einfinden in die kulturellen Eigenheiten in Deutschland anfangs schwergefallen, das hat sich mittlerweile aber alles gut eingespielt“, resümiert Johnin Savio. Sein erklärtes Ziel ist es, auch langfristig in Pirmasens zu bleiben und sich weiterzubilden.
Integration als Schlüssel zum Erfolg
Die Integration der Fachkräfte wird durch enge Zusammenarbeit mit der Bauhilfe und der Volkshochschule Pirmasens gefördert. „Wir stellen zunächst Übergangswohnungen bereit, die schnell bezogen werden können“, erläutert Bauhilfe-Geschäftsführer Ralph Stegner. Nach der Eingewöhnungsphase ziehen viele Fachkräfte in WGs oder eigenständige Wohnungen um. Langfristig werden größere Wohnräume bereitgestellt, die auch für Familien geeignet sind. „So bieten wir aktuell etwa 35 Menschen eine neue Heimat und die Grundlage für eine berufliche Zukunft.“
Die Volkshochschule unterstützt die Pflegekräfte durch praxisnahe Sprachkurse. Die Kurse kombinieren berufsspezifisches Vokabular mit Alltagswissen, etwa zur Mülltrennung oder lokalen Kulturangeboten. Bereits seit 2012 bietet das Städtische Krankenhaus seinen ausländischen Ärzten einen Sprachunterricht über die VHS an, die zwei durchgängig angebotenen Deutschkurse für Pflegekräfte aus dem nicht-europäischen Ausland (mit aktuell 21 bzw. 22 Teilnehmern) seit 2019. Letztere werden insbesondere von den Teilnehmern der Anpassungslehrgänge besucht – „von Anfang an und bis sie erfolgreich ihre Examen in der Tasche haben“, erklärt VHS-Leiter Stanislaw Bayer. Bei Bedarf können die in der VHS unterrichteten Pflegeschüler auch ergänzende Kurse aus dem regulären Semesterprogramm besuchen.
Positive Resonanz und nachhaltige Wirkung
Die Initiative wird von Patienten, Kollegen und Ärzten gleichermaßen positiv aufgenommen. „Die ausländischen Pflegekräfte werden als freundlich, kompetent und fürsorglich wahrgenommen“, berichtet Pflegedirektor Henner. Gleichzeitig profitieren die Pflegekräfte von der kulturellen Vielfalt im Team. „Integration ist eine Herausforderung, aber wir schaffen damit eine breiter aufgestellte Belegschaft, die langfristig stabil bleibt.“
Die Initiative zeigt beeindruckende Ergebnisse: Die Fluktuation unter den anerkannten Pflegekräften ist äußerst gering. Viele bleiben langfristig in Pirmasens und spezialisieren sich weiter, etwa als Wundexperten oder Praxisanleiter.
Finanzielle Herausforderungen und Ausblick
Trotz der Erfolge bleibt die Finanzierung eine Herausforderung. Die hohen Vorleistungen – von Sprachkursen über Wohnraumbeschaffung bis hin zu Beratungsleistungen – werden nur teilweise durch Förderungen gedeckt. „Wir sehen diese Ausgaben jedoch als Investition in die Zukunft“, betont Geschäftsführer Forster.
Die Initiative wird weiter ausgebaut: Neben der Pflege sollen auch Berufe wie Operationstechnische Assistenz (OTA), Anästhesietechnische Assistenz (ATA) und Radiologie einbezogen werden. Auch die Zahl der internationalen Auszubildenden soll weiter steigen. „Der Bedarf wird in den nächsten Jahren nicht geringer“, erklärt Henner. Mit der Baby-Boomer-Generation, die verstärkt in Rente geht, wird der Fachkräftemangel weiter zunehmen.
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