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Wahlheimat Pirmasens

Die Wochenend-Kolumne von Psst! Pirmasenser Storys
Vor kurzem hat Thomas Müller über seine Geburtsstadt Pirmasens geschrieben. Das hat mich gereizt, als „Zugewanderter“ mir ein paar Gedanken zu machen.
Als ich mich vor 30 Jahren auf eine Stelle in Pirmasens bewarb, wusste ich praktisch gar nichts über die Stadt. Nur der FKP war mir als Fußballfan bekannt. Die Aufgabe eines Jugendreferenten klang aber interessant, ich war persönlich ungebunden und vor allem die Regionen Pfalz und Elsass versprachen Lebensqualität. Als ich aber zum ersten Mal in die Stadt kam, muss ich zugeben, dachte ich: was für ein hässlicher Ort! Ich bin in Fürth und Nürnberg aufgewachsen und hatte da eine andere Prägung, was schönes Stadtbild betrifft. Also nicht ganz fair, zu vergleichen. Aber ich bin geblieben, viel länger als ich wollte. Ich bin hängengeblieben. Weil ich schnell merkte, hier hat man es mit zwar mitunter etwas rauen, aber offenen und aktiven Menschen zu tun. Es war kein Problem, Anschluss zu gewinnen. Das gesellige Leben und Engagement vieler Pirmasenser/innen in mannigfaltigen Vereinen und Organisationen beeindruckt mich immer noch. Ich habe Stück für Stück auch die schönen Ecken der Stadt entdeckt. Außerdem haben sich das Stadtbild, die Grünanlagen und die kulturellen Orte erheblich weiterentwickelt. Strecktalpark, Rheinberger, Alte Post…das kann sich sehen lassen. Ich selbst habe mich auch politisch und ehrenamtlich engagiert. Denn für mich ist klar: wo ich lebe, will ich auch mitmachen und zum Fortschritt beitragen. Schließlich habe ich hier auch meine Frau kennengelernt. Die war aber auch nicht von hier, sondern aus dem Chiemgau und wegen Beruf hier gelandet.
Pirmasens, ich habe dich liebgewonnen, aber in vielem bleibt du mir immer noch ein Rätsel. Deine Sprache kann ich immer noch nicht, aber verstehe sie zumindest fast immer. Apropos Arbeit: man hört immer, es gäbe hier keine Perspektive und deswegen gehen die Jungen weg. Als ich kam, gab es keine einheimische Bewerbung auf die Stelle. Ich habe hier viele Menschen von „Auswärts“ kennengelernt, die wegen der Arbeit nach Pirmasens kamen. Wie passt das zusammen?
Das ständige Gejammer, wie abgehängt und vernachlässigt wir doch seien. Gleichzeitig aber fließen viele Zuschüsse in die Stadt, wir sind Sitz vieler durchaus bedeutender Firmen und es gibt positive Entwicklungen. Viele sind zurecht stolz auf diese Stadt.
Ich habe auf der Ruhbank ein Haus quasi im Grünen. Das hätte ich in meiner Heimatstadt nie gefunden oder bezahlen können. Aber als E-Autofahrer ärgere ich mich über die immer noch schwache Infrastruktur bei Ladesäulen. Da sind andere Städte viel weiter. Wieder andere allerdings sind deutlich schwächer.
Hier gibt es viele Menschen, die aktiv für die Stadt eintreten und sie weiter voranbringen wollen. Es gab und gibt viel zu tun. Andererseits dieses „Köpfe hängen lassen“ und auch die hohe Zahl Wähler/innen, die sich für Rechtsextrem entschieden haben. Das erschreckt mich.
Lauter Widersprüche. Aber die wirds wohl überall geben. Da ist Pirmasens wohl doch nicht anders als andere Städte. Jedenfalls bin ich seit 30 Jahren hier. Freue mich und ärgere mich. Mal wundere ich mich und staune. Manchmal schüttle ich den Kopf und könnte verzweifeln.
Nächstes Jahr gehe ich vermutlich in Rente. Ob ich hierbleibe, weiß ich noch nicht. Aber fast die Hälfte meines Lebens habe ich hier verbracht. (Wahl)Heimat.
Pirmasens! Auch mein Pirmasens.
Manfred Vogel
Dipl.-Sozialpädagoge (FH) mit Theologischer Zusatzausbildung und Ordination. Er arbeitet beim Gemeindepädagogischen Dienst des Prot. Kirchenbezirks Pirmasens und ist u.a. in der Altenheimseelsorge und Gemeindearbeit tätig und hält Gottesdienste. Er ist Mitglied im Kreisvorstandsmitglied bei Bündnis 90/Die Grünen sowie ehrenamtlich in verschiedenen Vereinen im sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich aktiv.
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