Sind Tiere im Zirkus noch zeitgemäß?

Kolumnistin Lisa McKenna
Mit Lisa McKenna

Eine Kolumne von psst! Pirmasenser Storys

Wie fast ganz Pirmasens, war auch ich kürzlich im Zirkus. Als ich auf das fantastisch beleuchtete Zirkuszelt zusteuerte, schlugen zwei Herzen in meiner Brust. Die neunjährige tierverliebte kleine Lisa war komplett bereit, sich von der Zirkusmagie begeistern zu lassen. Die Erwachsene Lisa, die sich 10 Jahre lang wissenschaftlich mit Tierverhalten beschäftigt hat, hatte nur ein semi-gutes Bauchgefühl – war aber bereit, sich eines Besseren belehren zu lassen. 

Um zu beurteilen, ob es sich um eine „artgerechte“ Tierhaltung handelt, vergleichen VerhaltensforscherInnen die Umwelt, der eine Tierart sich über die Dauer seiner Evolution körperlich und geistig angepasst hat, mit der Haltungsumwelt, in der das Tier aktuell lebt. Je mehr sich ein Tier in seiner aktuellen Haltungsumwelt so verhalten kann wie in seiner natürlichen Umwelt, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Tier geistig gesund ist. Je weiter die Abweichungen sind, desto schlechter wirkt sich dies auf die mentale und körperliche Gesundheit aus. 

Früher war an Zirkusvorstellungen ohne Wildtiere wie Elefanten, Bären, Löwen nicht zu denken. Sie gehörten einfach zu einer guten Unterhaltung des Publikums. Heute hat sich das geändert. Man hat verstanden, dass sich die Haltungsumwelt von Wildtieren im Zirkus zu stark von deren natürlicher Umwelt unterscheidet. Die Wildtiere hatten im Zirkus nicht die Möglichkeit arteigene Verhaltensweise auszuleben, wurden krank oder fingen an, ihren schlechten mentalen Gesundheitszustand durch Verhaltensstörungen anzuzeigen. Mittlerweile sind Wildtiere im Zirkus glücklicherweise eine Seltenheit. 

Doch nun sitze ich auf meinem Sitzplatz und schaue zu, wie große Kamele und eine Vielzahl verschiedener Pferderassen mit lautem Peitschenknall durch die Manege getrieben werden. Die laute Musik, die nebelmaschinen-schwangere Luft, die blitzenden Lichter – auf keiner Sinnesebene erinnert hier etwas an den Lebensraum Steppe, dem sich sowohl Kamele als auch Equiden im Laufe der Evolution angepasst haben. Gut, das war zu erwarten. Die Kunststücke, die sie machen müssen, erfordern allerdings vereinzelt sehr unnatürliche Bewegungsabläufe und eine Vielzahl an Repetitionen. 

Mein Bauchgefühl macht zuckend auf sich aufmerksam, als ich meine Augen schließe und meinen Kopf abwende. Wäre es, bei der Fülle an wunderbaren Artisten, nicht an der Zeit, die Nutz- und Haustiere, so wie ihre wilden Verwandten, von ihrer Arbeit in der Manege zu entbinden? Das würde nicht nur Kosten für Futter, Einstreu und Tierarzt sparen, sondern vielen Lebewesen die dauerhafte Rückkehr auf die Weide ermöglichen. Auch ohne Tiere könnte der Zirkus das Publikum in seinen Bann ziehen und wunderbar unterhalten. 

Während die erwachsene Lisa diese Kolumne schreibt, blickt ihr kleines Pendant mit dem Bauch voller Popcorn auf eine Zirkusshow zurück, die sie dennoch den besonderen Zirkusflair hat spüren lassen. Dafür hätten die waghalsigen Artisten, die Zauberer und der liebenswerte Clown allerdings gereicht.

Lisa McKenna

Lisa McKenna ist 1987 in Pirmasens geboren und hatte schon als Kind großes Interesse an Tieren und Natur. Nach dem Abitur am WG 2006 zog sie in die Niederlande, wo sie an der Landwirtschafts-Universität Wageningen Tierwissenschaften studierte. Nach der Bachelor-Arbeit zum Lernverhalten von Pferden, forschte sie für ihre Master-Arbeit unter anderem im Bereich Hunde- und Schweineverhalten. 2013 erhielt Lisa ein Stipendium an der Göttinger Georg-August-Universität, wo sie sich vertieft mit Tierwohlproblematiken in der Nutztierhaltung beschäftigte. Mit ihrer Promotion schloss sie 2018 ihre Studien ab und arbeitet seither als Agrar-Journalistin für mehrere Fach-Zeitschriften und Magazine in Deutschland und der Schweiz. Mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen lebt sie aktuell in Bruchweiler-Bärenbach und engagiert sich ehrenamtlich als Vorsitzende der BUND Kreisgruppe Südwestpfalz / Stadt Pirmasens. In ihrer Freizeit findet man Lisa auf den Wanderwegen im Pfälzerwald oder beim Bergsteigen in den Alpen.


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